Der Gegenstand
Wenn sich diese Abhandlung mit alten Gitarren, Lauten, Fiedeln und deren Vorgängern
beschäftigen will, so steht die Frage nach dem Spektrum, dessen Einheit
und dessen Abgrenzung. Der Gegenstand sei bestimmt durch die Klasse derjenigen
Instrumente, die hier im einzelnen betrachtet werden. So sollen also die in
dieser Historie behandelten Instrumente Vertreter einer gemeinsamen Familie
sein. Was sie vereint, ist die Aufteilung ihres Körpers in Hals-Griffbrett,
Resonanzkörper und Besaitung. Bei den Streichinstrumenten beschränken
sich die Ausführungen auf das eigentliche Instrument. Die Entwicklung des
Streichbogens findet im Grunde kaum Beachtung.Da nun die großen, kleinen,
dicken und dünnen Saiteninstrumente der genannten Art so unter einen Hut
gebracht wurden, muss auch ein Sammelbegriff her. Dieser sei "Laute".
Bei der Verwendung des Begriffes Laute muss jedoch darauf hingewiesen werden,
dass hier nicht die Renaissancelaute und auch nicht Nachfolger der Renaissancelaute,
die oftmals einfach als Laute bezeichnet werden, gemeint sind, sondern der umfassende
Sammelbegriff.
Wie sich herausstellen wird, sind die frühen Fiedeln nichts anderes,
als gestrichene Lauten. Sie müssen sich erst von den Lauten trennen, sich
von der Lauten-Familie abspalten, um als eigene Familie zu existieren.
Beschrieben wird primär die bauliche Entwicklung der Instrumente. Die
Frage, was gespielt wurde, ist weitestgehend von Ungewissheit umgeben. Hier
kann allenfalls die Phantasie weiterhelfen. Doch soll darauf im weiteren verzichtet
werden.
Befriedigende Informationen über die Lautenmusik sind uns erst zugänglich,
so eine Notation existierte, die uns heute noch verständlich ist. Dies
jedoch gilt erst für die Tabulaturen und Notationen, die sich im europäischen
Spätmittelalter herausbildeten. Jedoch bleibt hier ein Bezug darauf unberücksichtigt.
Ebenso gilt das für Fragestellungen nach Interpreten, Schulen o.ä.
Ort und Zeit
Das Hauptaugenmerk der folgenden Untersuchungen soll der europäischen Lautenentwicklung
gelten. Da jedoch der Alte Orient auf die europäische Kultur und speziell
auf die europäische Musik so fundamentalen Einfluss übte, gebührt
ihm unbedingt Aufmerksamkeit.Was aber umfasst den Orient, das Morgenland? Aus
inhaltlichen Gründen sei nicht nur der eigentliche (Süd-)Osten, sondern
auch das Niltal (Ägypten) und die nordafrikanischen Mittelmeergebiete einbezogen.
Andererseits sei der sogenannte Ferne Osten, jenseits des persischen Hochlandes,
aus der Betrachtung ausgeschlossen. Die Lautenentwicklung im Alten Orient wird
jedoch nicht detailliert behandelt. Es sei daran genüge, nur die globalen
und fundamentalen Etappen vorzustellen.
Auf welche Zeitspanne erstreckt sich die Untersuchung? Eine Instrumententwicklung
beginnt für die Geschichtsschreibung mit dem frühest datierten Dokument.Die
frühe Geschichte der Lauten endet in dieser Abhandlung, so sich in Europa
die Zünfte der Lauten- und Geigenbauer bilden (etwa 16.Jh.).
Quellenverzeichnis:
Eine Historie beschreibt das Wann und Wie einer Bewegung.
Hingegen bleibt eine Historie gegenstandslos, solange eine nähere Bestimmung der
Bewegungssubjekte fehlt. Eine Einigung über die Begriffe erst kann das Verständnis
eröffnen. Zwar liegt nun die frühe Geschichte der Lautenfamilie vor, aber die
ausgezeichneten Vertreter der Laute, die da Spießlaute, Pandura, Ud, Tambur usw.
heißen, werden im Vergleich beschreiben, nicht aber näher definiert.
Es ist wohl nur schwer möglich, für die hier behandelten Begriffe eine exakte
Definition zu suchen, die alle Objekte zur Auswahl antreten lässt, um a priori
ihre Zugehörigkeit zu ermessen. Vielmehr ist es sinnvoll mit einer typoralen Begriffsdefinition
zu arbeiten, die beispielhafte Vertreter (Prototypen) auszeichnet, um mit allgemeinen
Kriterien des Vergleiches a posteriori andere Objekte in den Begriff zu betten,
oder eben nicht. Auch schon zu Beginn der Abhandlung wird auf eine exakte Definition
der allgemeinen Familie Laute verzichtet.
Hauptsächlicher Grund dafür sind zwei Probleme:
1. Problem der Grenzfälle,
2. Problem der Vielfalt bzw. der ungewollten oder zu nachlässigen Beschränktheit.
So ist es allemal besser mit Prototypen den Begriff zu fassen und auf Kriterien
der "guten" Vergleiche, die in unserem Fall auf natürliche Art dem menschlichen
Urteil zugestanden werden, zu bauen.
Die erste Laute
Aller Anfang liegt im Dunkeln. Die Frage, wann und wo die erste Laute erfunden,
gebaut oder
entwickelt wurde, ist schier unbeantwortbar. Ebenso gilt das für Saiteninstrumente
überhaupt. Weitläufig wird die Lautenentstehung mit der Theorie des
modulierten Jagdbogens befriedigt. Der Jagdbogen wäre zuerst. Dann entdeckte
jemand beim Zupfen des gespannten Bogens die Klangerzeugung. Der Jagdbogen wurde
zu einer "primitiven Harfe" umfunktioniert. Entweder durch das Zufügen
einer zweiten (Darm-)Saite, oder durch das In-Verbindung-Bringen mit einem Resonator
erfand man, so die Theorie, die Vorgänger der Harfe, der Leier und der
Laute. Diese Theorie ist jedoch sehr fragwürdig. Ein primitives Saiteninstrument
benötigt kein gleichmäßig starkes, biegsames Holz, um etwa einen
Pfeil gezielt abzuschießen. Es genügen irgend zwei arretierte Punkte.
Zudem ist der Jagdbogen erst funktional, wenn er groß ist. Die Tonerzeugung
einer schwingenden Saite ist offensichtlich.
Das Spielen und Experimentieren aber dem Menschen, ja der Natur überhaupt
eigen; auch ein musikalisches Gefühl. Warum sollte also die Benutzung einer
gespannten Saite zum Musizieren nicht vor der Pfeilabschussfunktion bekannt
gewesen sein? Eilt die Erfindung modernerer Produktionsmittel dem Musischen
voraus?
Die bislang ältesten Hinweise auf eine Laute überhaupt, die den Archäologen
sogleich als älteste Nachweise dienen, stammen aus dem Zweistromland (Mesopotamien)
der (semitischen) Akkadherrschaft (2350-2170 v.u.Z.). Soweit die Reliefdarstellungen
erkennen lassen, handelt es sich um 2-saitige Langhalslauten mit sehr kleinen
Resonatoren (siehe Quellenverzeichnis). Vielmehr kann man den Darstellungen nicht
entnehmen. Vor diesen ersten Lautenhinweisen gab es in sumerischer Zeit bereits
Harfen und Leiern. Das Musizieren auf Saiteninstrumenten scheint demnach bereits
einigen Vorlauf gehabt zu haben.
Die Laute im Alten Orient
Die Laute tritt im Orient drei als fundamental zu bezeichnende Siegeszüge
an.
Der Siegeszug der Spießlaute
Die Lauten als Instrumentenfamilie könnten ihren Ursprung, wie oben erwähnt,
in Mesopotamien gehabt haben. Etwa aus der Zeit der ersten babylonischen Dynastie
(1894-1595 v.u.Z.) fanden sich dann des öfteren Darstellungen, auf denen
meist nackte Männer häufig beim Marschieren Langhalslauten mit kleinen
runden Resonatoren spielen. Der Aufbau war einfach, ein langer Hals - ein Stab
- und ein kleiner rundlicher Resonator. Zwei Darmsaiten wurden oben und unten
angeknüpft, der Hals diente gleichzeitig als Griffbrett.
In Ägypten tauchte die Laute seit spätestens der XVIII. Dynastie (1551-1305
v.u.Z.) auf. Noch aus dem Mittleren Reich Ägyptens fehlten jegliche Anhaltspunkte.
Das Neue Reich hingegen hinterließ nicht nur zahlenmäßig viele,
sondern auch inhaltlich aufschlussreiche Hinweise der Nachwelt.Zur Konstruktion
dieser Lauten. Ein kleiner hohler Resonator war mit einem Tierfell bezogen, durch
welches ein Stab (Hals) durchgespießt wurde. Am Hals, der unten über
den Schallkörper ragte, wurden die meist 2 selten 3 Saiten angeknüpft,
oben um das Halsende gewunden und festgezurrt, so dass die Saitenenden einfach
herunterhingen. Der Steg stand auswechselbar auf dem Tierfell, der Hals diente
als Griffbrett.So erfasst der Siegeszug dieser Spießlaute Ägypten,
wo der Instrumentenneuling eine außerordentliche Popularität erlangte.
Es bildeten sich alsbald zwei ägyptische Standardformen heraus.Die erste
Standardform benutzte einen Schildkrötenpanzer als Resonator, der mit rotgefärbtem
Pergament bezogen war. Ein erhaltenes Exemplar misst eine Länge von 62 cm
(siehe Quellenverzeichnis). Frauen begleiteten sich auf der Schildkrötenlaute
zum Tanz oder spielten im Orchester mit anderen Instrumenten.Der Korpus der zweiten
Standardspießlaute Ägyptens war langgestreckt, mandelförmig und
hölzern. Der aus einem Stück geschnitzte Holzkorpus wirkt im Verhältnis
zur Gesamtlänge der Laute dennoch sehr klein. Man kann davon ausgehen, dass
diese Mandellauten samt sonders alle länger als 1m waren. Sie wurden oft
von Männern u.a. zur Gesangsbegleitung gespielt.Als Grabbeilage überdauerten
Darmsaiten von ca. 1mm Durchmesser die Zeit (siehe Quellenverzeichnis). Generell
wurden Holzplektren benutzt.Die pergamentene Decke wies in der Regel parallel
zur Saitenführung zwei Reihen von je drei kleinen Schallöchern auf.
Die am oberen Halsende herunterhängenden Saitenenden wurden gelegentlich
mit Trotteln verziert.
Die Spießlaute verbreitete sich seit Mitte des 2. Jahrtausend nahezu im
gesamten Orient in unterschiedlichsten Größen und Formen. Kassitische
Lauten (Mesopotamien 14. Jh. v.u.Z.) z.B. hatten einen eckigen Schallkörper,
der einem abgerundeten Kasten ähnelte. Eine hethitische Spießlautendarstellung
deutet eine Korpustaille an. Allen war die primitive Saitenbefestigung, die pergamentene
Decke, der auswechselbare Steg und die Hals-Korpustrennung gemein. Es gab grundsätzlich
zwei Varianten der Halsbefestigung. Entweder wurde er durch die Decke gefädelt,
oder durch den Korpus gespießt.Die Ausbreitung der Spießlaute war
vielfältig, durch die Varianten des innerorientalischen Kulturaustausches
begünstigt.
Das Spektrum reicht da vom Handel, friedlichen Kontakten und Reisen, bis hin
zu Kriegen, Völkerwanderungen, ja sogar Zwangsumsiedlungen ganzer Völkerschaften.
Über viele dieser Wege, die hier nicht im einzelnen behandelt werden sollen,
vollzog sich der Siegeszug der Spießlaute.
Der Siegeszug der Pandura
In oder nach dem 6. Jahrhundert v.u.Z. etablierte sich eine neue Laute, die Pandura,
die eine neue Etappe der Instrumentenentwicklung einleitete. Die fundamentale
Neuerung an dieser Pandura ist, dass ihr Hals entweder starr am Korpus befestigt
(geleimt) war, oder direkt in ihn über ging, also Hals und Korpus aus einem
Stück gefertigt wurden. Des weiteren wurden zum Befestigen und Spannen der
Saiten Wirbel benutzt. Diese Wirbel, hölzerne runde Stifte, an einem Ende
eine daumenbreite Abplattung, saßen festdrehbar in oberhalb des Griffbretts
befindlichen Löchern.Als sekundäres Merkmal der Pandura erweist sich
die grazilere Form. Der Hals ist oft nicht länger als der Resonator.
Prototypen, die noch heute sehr verbreitet sind, besaßen und besitzen
drei bis vier Saiten. Wann und wo der Siegeszug der Pandura begann, ist spekulativ,
da sich archäologische Anhaltspunkte aus dieser Zeit zu diesem Thema rar
machen. Behauptung: Das Pandurainstrument kristallisierte sich im achämenidischen
Weltreich der Perser (550-331 v.u.Z.) heraus. Hatten im Assyrischen Reich (Mesopotamien
bis etwa 612 v.u.Z.) die bis zu zwanzigsaitigen Bogenharfen eine unangefochtene
Vorrangstellung, so ist diese in seleukidischer Zeit (323-140 v.u.Z.) in Vorderasien
durch die Beliebtheit der Pandura negiert. Für diese Behauptung steht,
dass aus früherer Zeit keine diesbezüglichen Darstellungen bekannt
sind, spätestens aber seit dem 3. Jahrhundert v.u.Z. Panduradarstellungen
in vielen von den Persern besetzten oder benachbarten Gebieten auftauchen. Ihr
Reich erstreckte sich von Zentralasien bis ans Ägäische Meer. Bereits
aus dem 4. Jahrhundert v.u.Z. z.B. zeigen Statuen aus dem bis dahin lautenlosen
Griechenland Prototypen von Panduren (siehe Quellenverzeichnis /europäische
Pandura).Eine entsprechende aus Afrasiab (Mittelasien), wie Griechenland mit
dem Perserreich konfrontiert, ist auf das 4.-3. Jahrhundert v.u.Z. datiert (siehe
Quellenverzeichnis). Deutlich zeigt sie die starre Verbindung von Hals und Korpus.
Obschon es im Prinzip keine direkten Nachweise von Panduren der Achämeniden
gibt, spricht jedoch auch die Tatsache, dass in anderen Gebieten des Orients
auch bei anderen Saiteninstrumenten wie Leiern, Harfen, Hackbrettern u.ä.
Wirbelbefestigungen unbekannt bleiben, diese erst von den Panduren übernommen
wurden, und zwar nach dem 4. Jahrhundert v.u.Z., für die oben genannte
Behauptung.Folglich begann der Siegeszug der Pandura im ersten Perserreich,
erstreckte sich bald über den gesamten Orient.
Prototypen der Pandura sind vielfältig in ihrer Korpusform, runde, halbzylindrige
oder eckige Resonatoren mit kontinuierlichem oder abruptem Halsansatz. Die Spannung
der Saiten, die oben am Hals und unten am Korpus Halt fanden, stellte gerade für
geleimte Hals-Korpusverbindungen besondere Ansprüche. Dies scheint auch der
hauptsächliche Grund dafür zu sein, dass die Panduren im Verhältnis
zu den Spießlauten kleiner bzw. kürzer sind. Vorzüglich war die
Decke ein dünnes Holzbrettchen. Eine solches auf den Resonatorboden aufgeleimtes
Holz ermöglichte die Benutzung eines Querriegels, der seinerseits auf die
Decke geleimt wurde. In einem solchen Querriegel vereinte sich Steg und Saitenhalterung.
Jedoch nicht alle Panduren hatten solchen Querriegel. Wenn Resonanzkörper
und Hals aus einem Stück geschnitzt waren, konnte bei längeren Exemplaren
gelegentlich der Hals aus zwei Teilen zusammengefügt sein. Die Wirbel, generell
aus Holz, waren nicht nur einfache Stifte, mit denen die Saiten festgesteckt wurden,
sondern sie dienten vor allem dem Stimmen der Saiten und mussten demnach drehbar
gelagert sein. Die Saitenenden wurden um die Wirbel, die ja nur zur Hälfte
in dem verlängerten Hals staken, gewickelt. Damit war es jederzeit möglich,
die Saitenspannung zu verändern, oder zu korrigieren.Bei den für gewöhnlich
benutzten Flankenwirbeln befanden sich die Windungen stets außerhalb, also
seitlich des Halses bzw. der Wirbelhalterung, nicht innerhalb eines Kastens. Insofern
kann noch nicht von einer geschlossenen Wirbelmechanik gesprochen werden.
Einen besonderen Typ der Pandura stellen Kerblauten aus dem koptischen Ägypten
(5.-8. Jh. u.Z.) dar. Diese wahrscheinlich von christlichen Mönchen gefertigten
Instrumente besaßen kleine schlanke Resonatoren. Zum Halsansatz verjüngten
sich diese in Form einer breiten Ringkerbe. Etwa zur halben Länge wiesen
die halbzylindrigen Schallkörper beidseitig nahezu halbkreisförmige
Einkerbungen auf (siehe Quellenverzeichnis). Diese Kerben verleihen den koptischen
Panduren eine künstliche Taille.Diese koptischen Kerbpanduren gelten bislang
als die ersten Lauten, deren spontane Einschnürung, gekantete Taillierung
des Schallkörpers, ein bewusstes Anliegen der Instrumentenbauer war.
Der Siegeszug der Ud
Die Stellung der bauchigen Kurzhalslaute in vorislamischer Zeit ist umstritten.
Einige glauben sie als Importe aus dem Fernen Osten, andere als seltene Abarten
von vorderasiatischen Panduren, die den populären Prototypen gegenüberstanden.
Die Quellen (siehe Quellenverzeichnis) scheinen für ein indisches Vorbild
der großen bauchigen Laute zu sprechen. Der kurze Hals ist eine Konsequenz
des länger gewordenen Resonators. Seit dem 6. Jahrhundert u.Z., gewann sie
im sassanidischen Iran an Bedeutung. Die wenigen Hinweise künden doch von
einer neuen Qualität des Lautenbaues. Unberücksichtigt bleibt hier,
ob diese vom indischen Musikleben importiert oder inspiriert, oder aber eine iranische
Entwicklung war.Hier etablierte sich die Ud - auch al-awd oder al-u'd. Die Ud
zeichnet ein großer, meist birnenförmiger Schallkörper, weiterhin
ein relativ kurzer Hals und ein nach hinten gezogener, gezimmerter Wirbelkasten
aus. Damit diente als Wirbelhalterung nicht mehr nur ein Stück verlängerter
Hals, sondern ein eigenständiges Teil, dessen Hauptfunktion eine vorteilhafte
Bedienung der Wirbelmechanik war, sich deutlich vom Hals absetzte. Geknickte Hälse,
wie auf den sassanidischen Silberschalen, sind in ihrer Deutung zweifellos als
Wirbelkästen interpretierbar (siehe Quellenverzeichnis). Solch Kasten wurde
extra gefertigt und dann an das Halsende angesetzt.Die Größe der bauchigen
Schallkörper erlauben es nicht, dass diese Resonatoren aus einem Stück
geschnitzt hätten sein können, sie wären zu instabil gewesen. So
waren sie mit Sicherheit aus verschiedenen Einzelteilen zusammengesetzt bzw. gezimmert.
Persien
wurde 651 u.Z. von den Arabern erobert und islamisiert. Am Anfang des 8. Jahrhundert
war nun der Islam, der im Grunde die bis dahin unterworfenen Kulturkreise des
Orients in sich aufnahm und in gewisser Hinsicht vereinheitlichte, bis an den
Atlantik und bis in die zentralasiatischen Steppen vorgedrungen. Mit ihm auch
diese bauchige Knickhalslaute mit dem breiten kurzen Hals.Somit begann der Siegeszug
der Ud im Iran des 6. Jahrhundert, und er wurde alsbald von der Ausbreitung des
Islams trotz seiner doch so widersprüchlichen Beziehung zur Musik nicht nur
begleitet, sondern auch getragen.
Die generell mit dem Plektrum gespielte Ud ist insgesamt größer als
z.B. die Pandura. Der gewölbte, bauchige Boden war aus gebogenen aneinandergefügten
Holzleisten bzw. Längsspänen geleimt. Am unteren Ende des Bodens,
an dem die Längsspäne sich meridianartig treffen, konnte zur Stabilisierung
ein Kanes angebracht werden. Ein solcher zusätzlicher Holzspan in Querrichtung,
der hauptsächlich haltgebende Funktion hatte, war oft auch ein Ziergut.
Konstruktionszeichnungen der Ud (siehe Quellenverzeichnis) z.B. besagen, dass
die Korpustiefe die halbe Korpusbreite erreichte. Die Decke, die bald länglich,
bald rund, immer aber von konvexem Charakter war, wurde mit allerlei phantasievollen
Schallöffnungen versehen.
Für die Schallöffnungen gab es drei bevorzugte Motive. Zum ersten
ist die klassische Rosette, ein gitterartiges Schnitzwerk, zu nennen, zum zweiten
geflammte Zierspalte, schmale Öffnungen, die in Längsrichtung unterschiedliche
Krümmungen vollziehen, und zum dritten die Querornamentik, perpendikular
zur Saitenführung und von rechteckigem Grundriss.
Die Prototypen der Ud besaßen 5 bis 7 Saiten. Später erhöhte
sich die Zahl, teilweise zugunsten der Doppelchörigkeit. Für die untere
Saitenbefestigung gab es zwei Varianten. Entweder wurde, wie schon bei einigen
Panduren, ein Querriegel auf die Decke geleimt, oder der Kanes, in solchen Fällen
über den Deckenrand hinausführend, nahm die Saitenhalterfunktion ein.
Dann musste ein Steg zusätzlich auf der Decke postiert werden.
Die
obere Saitenbefestigung ruhte, wie bereits erwähnt in einem Wirbelkasten
(Kopf). Durch die Seitenwände dieses Kastens wurden die Wirbel gesteckt,
im Inneren die Saitenenden um die Wirbel gewickelt. Diese begünstigen einerseits
eine Vergrößerung der Saitenzahl, andererseits auch eine tiefere Stimmung
bzw. eine Erweiterung des Tonumfanges in die tieferen Oktaven.Zwei Möglichkeiten
der Kopfform traten in Erscheinung. Der schlanke trapezförmige, im großen
Winkel angeknickte Kasten (Knickhals) war sicherlich immer gezimmert. Nicht unbedingt
dagegen der geschwungene, teilweise mit geschnitzten Motiven versehene, mitunter
nur leicht nach hinten gebogene Kopf.
Große arabische Gelehrte des Mittelalters, u.a. Avicenna (980-1037), beschrieben
die Ud. Von al-Farabi (87O-950) z.B. wird die Ud ( bei ihm hieß sie tunbur
hurasani) zum auserwählten Instrument nominiert, an welchem er den tonalen
Raum fixierte. Mittels einer Stimmungskorrektur (Berechnung der Bundabstände)
erkor er sie aus, sich von den heidnischen Instrumenten abzusetzen.