frühe Geschichte der Gitarre, Laute und Geige - Fortsetzung Rainer Nowotny
Rainer Nowotny



Vorbetrachtung: Gegenstand, Ort und Zeit


Die erste Laute
Die Laute im Alten Orient
Siegeszug der Spießlaute
Siegeszug der Pandura
Siegeszug der Ud (al Ud)
Die Laute in Europa
Import der Pandura
Ausbreitung der Tambur
Symbiose von Leier und Laute
Anfang und Aufstieg der Fiedel
Import der Ud
Etablierung der Lira da braccio
Herausbildung der Gitarre
Konsolidierung der Violin/Violen
Zu den Dynastien
Ausgewählte Probleme und Hypothesen
Quellenverzeichnis

Nach oben Die Laute in Europa


Nach oben Import der Pandura


Die ersten Lauten, die in Europa Fuß fassen konnten, waren aus dem Orient importierte Panduren. Zwei Abschnitte zeichnen sich für diesen frühen Panduraimport als wesentlich ab.

größer größer In die Zeit, in der Alexander der Große (356-323 v.u.Z.) die Vorherrschaft in Griechenland beanspruchte, fällt nun der erste Abschnitt des Imports der Pandura. Sie wurde entweder von den Persern exportiert, deren achämenidisches Weltreich bis an die Ägäis reichte, oder von den Perserfeldzügen Alexanders von Makedonien mit heimgebracht. Ende des 4. Jahrhunderts jedenfalls tauchten erstmals in Europa Lauten bzw. Panduren auf (siehe Quellenverzeichnis).Die Einbeziehung dieser in das antike Musikleben vollzog sich jedoch nicht kanonisch. Die griechische Ästhetik bis einschließlich Aristoteles verabsolutierte die Harmonie als Erscheinungsform der Schönheit. Flöten, Harfen und Leiern sind bevorzugt. Sowohl lautstarke als auch rhythmische Instrumente treten eindeutig in den Hintergrund. Der Neuling musste sich stilistisch anpassen. Eine Skulptur Ende 4. Jahrhundert v.u.Z. z.B., zeigt eine Panduraspielerin (die Muse selbst?), die die Saiten mit den Fingern zupft (siehe Quellenverzeichnis); entgegen wurden Panduren im Orient fast ausnahmslos mit dem Plektrum geschlagen. Im ersten Abschnitt des Panduraimportes, von den Griechen getragen, wird das Instrument unverändert übernommen, jedoch die Spielweise den klassischen Traditionen des Musizierens angepasst.

Gerechterweise muss bei der Behandlung des ersten europäischen Lautenimports eine bislang unbestätigte Möglichkeit offengehalten werden. Die Küste der Iberischen Halbinsel hatte schon seit längerem Handelsbeziehungen mit Nordafrika und wurde teilweise auch kolonialisiert. Ab etwa 654 v.u.Z. waren es dann insbesondere die Karthager, die einen bedeutenden kulturellen Einfluss auf große Teile Spaniens ausübten. In Nordafrika waren aber Lauten von großer Beliebtheit. Sie könnten also durchaus über das westliche Mittelmeertor viel früher, als bisher angenommen, nach Europa exportiert worden sein. Hierzu fehlen derzeit allerdings Anhaltspunkte.

größer größer Der zweite Abschnitt des Imports der Pandura fällt in die Zeit und die politische Situation der Expansion Roms, welches mit seiner konsequenten Militärpolitik nahezu alles unterwarf, was in erreichbarer Nähe lag. In die römische Kultur flossen die unterschiedlichsten nationalen Strömungen ein. So profitierte auch die Musik von der territorialen Ausdehnung des Imperiums.
Nicht nur die Ausstrahlung z.B. der griechischen Musik des Hellenismus überflutete die römische Republik, sondern aus vielen besetzten Gebieten wurden Instrumente und Interpreten in die großen Städte des Imperiums geholt.Das aus dem Syrischen Krieg zurückkommende Heer des Gnaeus Manlius Vulso brachte eine ganze Legion von Saitenspielerinnen mit, die zusammen mit den Siegern in Rom 187 v.u.Z. legendär Einzug hielten.
Der zweite Abschnitt des Import's der Pandura ist also der römische. Anders als der erste, bei dem nur das Instrument übernommen wurde, führten die Römer auch die fremdländische Stilistik ein, indem sie Musiker aus aller Herrenländer in ihre Dienste stellten. So ist z.B. zu erklären, dass die Plektrumspielweise vorherrschte.Der Tatsache, dass oft Sklaven als Lautenisten bzw. als Musiker im Allgemeinen fungierten, ist es wahrscheinlich zu verdanken, dass so wenig bildliche Quellen über das Instrumentarium und speziell die römische Pandura existieren. Wer porträtierte schon einen Sklaven?In der Kaiserzeit (30 v.u.Z. - 476 u.Z.) entsponnen sich wahre Wettstreite zwischen den Bühnenkünstlern. Am "Kampf der Virtuosen" nahmen auch Lautenisten teil, die sich im wesentlichen der importierten Originale bedienten.

Das aufkommende Christentum lehnte hingegen das öffentliche Musizieren so gut wie generell ab. Instrumentales Spiel galt als närrisch und heidnisch. Es scheint nur wenige Ausnahmen gegeben zu haben.
größer größer Auf christlichen Sarkophargen ab dem 3. Jahrhundert u.Z. wurden gelegentlich Frauen dargestellt, die kleine Panduren halten bzw. spielen. Diese spätantiken oder besser frühchristlichen Panduren hatten auffallend kleine Resonatoren und vier parallellaufende Saiten, die oben mit knopfartigen Wirbeln befestigt wurden. Sie galt bei Töchtern aus gutem Hause als Zeichen der musikalischen Bildung. Das Erstaunlichste an dieser, wahrscheinlich sehr leisen Laute ist, dass die frühe Christenheit sie, wie sonst kaum ein Instrument, akzeptierten; wohl aus dem Grund, da die Pandura am wenigsten zu "heidnischen Zwecken missbraucht" wurde.




Nach oben Ausbreitung der Tambur


Mit dem Zerfall des Imperiums, in der Zeit, die man mit der Völkerwanderung (4. - 8.Jh.) identifiziert, bildeten sich neue gesellschaftliche Verhältnisse heraus. In großen Teilen Europas zogen feudale Produktionsverhältnisse ein.Die Westkirche baute von Rom aus ein eigenes hierarchisches Netzwerk auf, welches mit der Christianisierung der nördlichen Teile zu einem Bollwerk der politischen Macht wurde.
Demgegenüber etablierte sich der germanische und nordische Adel und entfaltete eine auf einem ritterlichen Militär begründete Machtstruktur. Einigen mächtigen Fürsten gelang eine Reichsgründung, wobei sie den Zentralismus der römischen Kirche für die Organisation ihrer Herrschaft benutzen.

größer größer größer Im Zuge dessen vollzog sich eine Verflechtung des römischen und nordisch-germanischen Kulturgutes. Insbesondere die karolingische Anlehnung an die italienische Kunst blieb auch für die Musik nicht ohne Folgen. Der Süden hatte vorerst hauptsächlich eine gebende Funktion, was die Musik als solches und natürlich auch die Musikinstrumente anbetraf.Neben dem einfachen, nordischen Import der antiken Panduren kristallisierte sich aber ein neuer, panduraähnlicher Typus heraus, die Tambur, die nordische Variante der Pandura. Als ihre Wiege kann man wohl das Frankenreich ansehen. Dort trifft man sie sehr bald in adligen, als auch in kirchlichen Kreisen. Immerhin wurde König David oft als ein Tamburspieler dargestellt. Die Tambur galt im wesentlichen als ein typisches Instrument des Ritterstandes, und dies über einen langen Zeitraum. Ein Prototyp dieser Tambur, ein Instrument mit langem Hals, ist auf den Illustrationen des Utrechter Psalters von 830/820 u.Z. dargestellt (siehe Quellenverzeichnis). Diese offensichtlich kräftig gebaute Laute besitzt einen spatenförmigen Korpus, der sich zum Hals hin stark ansetzt. Auch durch andere Quellen dieser Zeit ist die Tambur belegt als eine mitunter große, robuste, panduraähnliche Langhalslaute. Wahrscheinlich war sie ein ausgesprochenes Männerinstrument. Die 3 bis 4, selten mehr Saiten wurden meist mit dem Plektrum gespielt. Neben der spaten- bis hufeisenförmigen, mitunter sogar kantigen Korpusform zeichnet sich noch eine Besonderheit ab. Die Wirbel, die bei vielen antiken Panduren seitlich in dem verlängerten Hals staken (Flankenwirbel), erhielten ein eigenes Terrain. Es ist zwar noch kein Wirbelkasten, aber immerhin schon ein Kopf. Der Hals mündet am oberen Ende in einem Plateau, welches den Sagittalwirbeln ihren Platz bietet.Als ein Spezialfall dieser Wirbelplattform besaßen einige Tamburen einen regelrechten Hammerkopf (siehe Quellenverzeichnis). Eine Interpretation dieses Hammerkopfes ist nicht ganz eindeutig. War bei diesen Lauten die Wirbelanordnung quer zur Saitenführung? Die unterschiedlichsten Korpusformen treten im Laufe der Zeit in Erscheinung. Man kann aber davon ausgehen, dass meist auf eine geschnitzte bzw. ausgehöhlte Resonanzschale ein dünnes Deckenbrettchen geleimt wurde. Es gab auch Tamburen mit tailliertem (8-förmigem) Resonator, wobei die obere Hälfte der "8" mitunter eckig bleibt. Als solche bildeten diese Instrumente wahrscheinlich einen der wesentlichen Ansatzpunkt für die spätere Herausbildung der Gitarre.




Nach oben Symbiose von Leier und Laute


Quellen, die das Auftreten der Laute vor oder aus der Zeit der Völkerwanderung in den Gebieten nördlich der Alpen belegen, sind nicht bekannt. Wohl aber gab es Saiteninstrumente. Die alemanische Leier (siehe Quellenverzeichnis) z.B. war ein kräftiges, hölzernes, im wesentlichen aus einem Stück geschnitztes Leierinstrument mit starken, fast parallelen Jocharmen. Als Decke diente ein dünnes Holzbrettchen. Zwar hatte sie nur wenig Saiten und, in Ermangelung eines Griffbretts, einen sehr beschränkten Tonumfang, im Verhältnis dazu aber einen ausgesprochen großen Resonator. Aufgrund der guten Resonanz- und Flagelettschwingungen könnte man sie als einen Vorreiter der Borduninstrumente bezeichnen. Mit der Ausbreitung der Tambur und ihres gegenseitigen Kontaktes entwickelt sich eine Symbiose dieser beiden Instrumente, alemanische Leier (mitunter auch als Rotte bezeichnet) und Tambur, die sich aber bald auf Lauten im allgemeinen überträgt.

größer größer größer Diese Symbiose zeigte Ergebnisse. Zum einen offenbart sich eine Instrumentengruppe von zweideutiger Verwandtschaft. Entweder sind es modulierte Leiern, die ein Griffbrett erhielten, oder Tamburen, deren Schallkörper bewusste Ansätze zu Jocharmen zeigen. Gerade in westlichen Gebieten finden sich diese zahlreich, wobei die Funktion der Jocharme - es gibt sogar Hinweise auf Griffbrettleiern mit nur einem Jocharm - nicht geklärt ist. Als Saitenhalterung kommen sie nicht in Frage, auch nicht für zusätzliche, ungegriffene Saiten. Allenfalls sinnvoll ist die Interpretation als Vergrößerung des Resonatorraumes. Zum anderen entwickelte sich im Ergebnis dieser Symbiose eine neue Qualität von Saiteninstrumenten, die Borduninstrumente.
Neben den gegriffenen und mit der anderen Hand gezupften, geschlagenen oder gestrichenen Saiten gesellte sich eine Anzahl passiver Saiten hinzu, deren Funktion es war, bei einer entsprechenden Erregerfrequenz mitzuschwingen und damit den Klang auszufüllen und zu bereichern. Gelegentlich hatten sie eine halbaktive Funktion, indem sie vom Spieler bewusst in Erregung versetzt wurden.
Die Borduninstrumente, die nahezu alle Lauten-, Fiedel- etc. -familien bis in die barocke Zeit unterwanderten, finden ihren Ursprung in der baulichen Verquickung von Tambur und alemanischer Leier. Es gibt mithin generell zwei Möglichkeiten der Befestigung der Bordunsaiten, die ja einen Mindestabstand von den Spielsaiten haben müssen. Entweder wird vom Kopf des Halses eine externe, zusätzliche Saitenbefestigung in gleicher Ebene angebracht, wobei der seitliche Ausläufer den Hals natürlich stark belastet, oder ein zweiter Hals ohne Griffbrett, eine Art Jocharm, übernimmt nach dem Vorbild der Leiern die Bordunsaitenhalterung.



Nach oben Anfang und Aufstieg der Fiedel


Eins der immer noch offenen Probleme bezieht sich auf den Ursprung der Streichinstrumente. Dabei bleibt zu klären, ob die Herkunft der Streichinstrumente im allgemeinen mit der Herkunft der Fiedel identifiziert werden darf. Es existieren zahlreiche, widersprüchliche Hypothesen darüber, woher die Initiative kam, die Laute zu streichen. Keine aber scheint wirklich zu befriedigen. Bis etwa 900 u.Z. sind überhaupt keine gesicherten Hinweise über Streichinstrumente bekannt.
größer Auf einer Apokalypsehandschrift (920-930 u.Z.) eines spanischen Klosters (siehe Quellenverzeichnis) begegnen uns dann vier Musiker die senkrecht gehaltene Prototypen der Panduren mit einem Bogen streichen. Andere spanische Quellen folgen. Nur Jahrzehnte später tauchten Fiedeln mehrmals in Byzanz - obschon als solches nicht besonders reich an Quellen mittelalterlichen Instrumentariums - auf. Die Behauptung, der arabische Raum habe eine Mittlerrolle zwischen den beiden entferntesten Küsten des Mittelmeeres geübt, ist bisher nicht belegt und muss auch stark angezweifelt werden. In nur wenigen Jahren erobert sie die europäische Musiklandschaft. Mitte des 11. Jahrhunderts sind die Fiedeln bis an die Nordsee und an den Dnepr vorgedrungen. Generell wurden panduraähnliche, kleine, drei- bis viersaitige Instrumente benutzt. Betrachtet man die Spielweise der frühen Fiedel, so zeichnet sich Mitte des 11. Jahrhunderts eine Differenzierung ab.

größer Die sehr verbreiteten Pandurafiedeln, die, nicht mehr nur einfach gestrichene Panduren, zwar panduraähnlich, aber dennoch von einer eigenen Spezifik, wurden horizontal an Brust oder Schulter gestemmt. Diese Pandurafiedeln, besaßen kleine rundliche, mitunter auch elliptisch bis ovale Schallkörper, die sich zum Hals hin verjüngten, gelegentlich konisch in ihn übergingen, und schmale Hälse. Pandurafiedeln waren die ersten Griffbrettinstrumente, die nicht vor den Bauch gehalten und gespielt wurden, sondern in einer vom Körper wegstrebenden Richtung an Brust oder Schulter.
Gebrauch fanden sie in nahezu allen Schichten der Gesellschaft. Ob bei fahrenden Spielmännern, am Hofe , sogar in der westlichen Kirchenmusik fanden sie Aufnahme (die orthodoxe Kirchenmusik verwehrte ja dem Instrumentarium generell den Einzug).

größer größer Spanien bzw. die nordwestliche Mittelmeerküste und Byzanz bilden zwei Ausgangspunkte für deren Verbreitung. Für die Pandurafiedel spanischen Vorbilds ist es typisch, dass die Saiten an einem Saitenhalter, der am unteren Korpusende der Fiedel befestigt war, hinter dem beweglichen Steg angeknüpft wurden. Diese Saitenaufhängung übertrug damit die Spannung auf den hinteren Teil des Schallkörpers. Die Saiten verliefen im Grunde parallel. Bei der Pandurafiedel byzantinischen Vorbilds gingen dagegen die Saiten strahlenförmig (fächerartig) auseinander. Der Saitenhalter diente gleichzeitig als Steg und war auf der Decke befestigt (geleimt). Somit hatte die Pandurafiedel byzantinischen Vorbilds eine Querriegelbefestigung, so dass die Saitenspannung die Decke perpendikular belastete. Eine Querriegelbefestigung schließt die Möglichkeit ein, dass mitunter mehrere Saiten gleichzeitig zum Erklingen gebracht wurden. Neben der Fächeranordnung der Saiten und deren Querriegelbefestigung ist für die Pandurafiedel byzantinischen Vorbilds ein langer Streichbogen typisch. Auch benutzte sie vorzugsweise Flankenwirbel, hingegen bei der Pandurafiedel spanischen Vorbilds nahezu ausnahmslos Sagittalwirbel anzutreffen sind.

Die politische und kulturelle Verschmelzung der nationalen bzw. staatlichen Strukturen in West- und Mitteleuropa zum einen, die gemeinsame kirchlich hierarchische Bindung zum anderen wirkte sich auch auf die Musik gewissermaßen vereinheitlichend aus. So gelang der Pandurafiedel spanischen Vorbilds ein west- und mitteleuropäisch globaler Aufstieg. Ab der Jahrtausendwende ist sie wohl im gesamten katholischen Einzugsgebiet in gleicher Art anzutreffen. Die Pandurafiedel byzantinischen Vorbilds konnte es ihr im Osten Europas nicht gleich tun.


größer Die senkrechte Haltung von gestrichenen Lauten, wie sie bereits auf sehr frühen Abbildungen zu sehen ist, verliert sich aber nicht mit der horizontalen Spielweise. Die Rebec - ihre frühen Formen sind panduraähnlich - ist ein kleines, senkrecht auf den Knien gestrichenes Griffbrettinstrument. Anfänglich vor allem in Südeuropa, ist sie nach und nach aber bevorzugt in islamischen Gebieten anzutreffen. Später wird sie gar für spezifisch orientalisch erklärt. Dass aber die Herkunft der Rebec orientalisch oder arabisch ist, muss bislang als unbegründete Spekulation zurückgewiesen werden. Vielmehr deuten die Hinweise (siehe Quellenverzeichnis) auf einen südeuropäischen, wahrscheinlich spanischen Ursprung der Rebec. Angemerkt sei aber, dass es diesbezüglich nicht besonders viel orientalisches Quellenmaterial gibt. Der Korpus der Rebec ist tropfenförmig, was der Haltung auf den Knien entgegenkommt. Dieser sehr kleine Schallkörper hatte oft einen konischen Halsübergang. Die Rebec existierte in zwei Grundformen. Die (west-)europäische Kniefiedel besaß ein Wirbelbrett mit Sagittalwirbeln. Mit ihren 3 bis 4 Saiten unterschieden sich die Prototypen nicht wesentlich von der Pandurafiedel spanischen Vorbilds. Die arabische Rebec erhielt einen Wirbelkasten, der äquivalent dem der Ud entweder geschwungen oder kastenförmig war. Die Prototypen besaßen zwei Doppelsaiten, die mit kurzen Bögen angestrichen wurden. Gelegentlich wiesen sie eine Querriegelbefestigung auf, was einen Kontakt mit den byzantinischen Fiedeln nicht ausschließt. Die Saiten der arabischen Rebec wurden seit spätestens dem 13. Jahrhundert nicht, wie bei den europäischen Fiedeln, mit den Fingerkuppen auf das Griffbrett gedrückt, sondern mit den 2. oder 3. Gliedern der Finger. Damit entfällt z.B. die Möglichkeit des Vibratos.


größer größer größer Im Nordwesten Europas gesellt sich der kleinen Schulterfiedel Anfang des 12. Jahrhunderts eine neue Familie von Streichinstrumenten hinzu. Einige Zeichnungen und Plastiken bzw. Reliefs geben zwar darüber Auskunft (siehe Quellenverzeichnis), jedoch sind sie mitunter in expressionistischer Stilistik gefertigt, derart, dass es nur schwer möglich ist, sich ein klares Bild darüber zu machen.Die insgesamt größere Gambenfiedel wurde aufrecht zwischen den Knien gehalten, im Gegensatz zur Rebec, die auf die Knie gestellt wurde. Die gespreizten Beine klemmen das Instrument ein. Abgesehen davon, das der Schallkörper viel größer als der der Pandurafiedel ist, zeigt er eine auffällige Besonderheit.
Zur Mitte hin besitzen die Resonatoren deutliche Taillen, ein bis zwei, selten drei. Auf einer Portalplastik aus der Kathedrale Saint-Marie in Oloron (siehe Quellenverzeichnis) ist der 8-förmige Korpus schier aus zwei sich berührenden Kreisen zusammengesetzt. Dies gibt über Neuheit und Bedeutung der Taille Auskunft. Diese Gambenfiedel war die erste europäische Lautenart, deren Einkerbung bzw. Korpusverengung als ein definitives Kriterium die Familie auszeichnete. Die 8-förmigen Tamburen z.B. waren im Grunde nur Ausnahmen, zumal deren Taillen ohne funktionale Bedeutung waren. Die Einengungen des Gambenfiedelresonators diente offensichtlich dem ungehinderten Bogenspiel. Die Funktionalität der Taille zeichnet die neue Qualität. Es wäre zu vermuten, dass diese 8-förmige Gambenfiedel als Vorgänger oder historisches Muster der Viola da gamba fungierte. Besaitung, deren Aufhängung, Hals und Mechanik entsprechen bis auf die Größenrelation etwa dem der Pandurafiedeln spanischen Vorbilds; die Stimmung der Gambenfiedel ist tiefer. Das Bogenspiel als solches weist eine Eigenheit auf. Es scheint bei einigen Darstellungen, dass die rechte Hand den Bogen nicht von oben auf die Saiten drückt, sondern ihn von hinten heranzieht. Der Bogen wird also hinterständig gegriffen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Bogenhaltung sich auf die besonders großen Gambenfiedeln beschränkt.





Nach oben Import der Ud


Europa hatte bis zur Jahrtausendwende daran gearbeitet, eine stabile Staatengemeinschaft zu konstituieren. Frankreich, nach der feudalen Zersplitterung in spätkarolingischer Zeit, entwickelte seit der Königswahl Hugo Capets (987 u.Z ) wieder eine zentralistische Machtstruktur. Das Deutsche Reich formierte sich mit Heinrich (seit 919 u.Z.) und Otto (seit 936 u.Z.), der sich 962 zum Kaiser krönen ließ und seitdem Italien in die Reichspolitik einbezog, zu einer geschlossenen Militärmacht. Der Begründung des polnischen unter Mieszko (960-9992 u.Z.) und des ungarischen Staates unter Istvan (1000-1038 u.Z.) ging die späte Christianisierung zur Hand.
Wladimir Swajatoslawitsch festigte mit der Einführung des (orthodoxen) Christentums als Staatsreligion (988 u.Z.) die feudale Macht der Kiewa Rus, so wie es Harald Blauzahn (935-985 u.Z.) in Dänemark (katholisch) tat. Mit dieser gefestigten abendländischen Feudalordnung beginnt nun eine Etappe der intensiven Auseinandersetzung mit dem Orient. Dabei gab es drei wesentliche Kontaktpunkte.

Zum ersten wurde Byzanz, schon seit dem 8. Jahrhundert vom vorrückenden Islam nicht nur militärisch attackiert, auch seinem kulturellen Einfluss unterlegen, zunehmend von den türkischen Seldschuken bedrängt. Denen musste es zeitweise große Teile Anatoliens abtreten. Byzanz diente als osteuropäischer Brückenkopf des Orientkontaktes dieser Zeit. 1453 dann konnte das Türkenheer Konstantinopel einnehmen, welches dem Ende des Byzantinischen Reiches gleichkam.

Zum zweiten diente Spanien als westeuropäischer Brückenkopf. Ab 711 von arabischen und berbischen Eroberern der islamischen Welt angegliedert, hielt die maurische Kultur Einzug. Vom nördlichen Gebirge ausgehend entbrannte ein vom christlichen, ehemals westgotischen Adel geführter, vom Katholizismus unterstützter Kampf um die Rückgewinnung. Das Kalifat brach etwa ab 1010 zusammen. 1492 wurde der letzte islamische Herrscher vertrieben. Die maurische Kultur, die auf der Iberischen Halbinsel bis dahin Fuß fassen konnte, öffnete sich dem europäischen Westen.

Zum dritten versuchten die Ritterorden seit dem 1095 vom Papst Urban II. ausgerufenen Kreuzzug, sich militärisch im Nahen Osten zu entfalten. Trotz der oftmals erfolglosen Unternehmungen gelang es, zahlreiche kleine Kreuzfahrerstaaten am Mittelmeer zu errichten. Zum einen waren die Ritter selbst Träger des Orientkontaktes dieser Zeit, zum anderen die dadurch erstarkten Seehandelsstädte, insbesondere Venedig und Genua.

Dies (Byzanz, Spanien und die Kreuzzüge) sind die drei bedeutendsten Brücken, über die orientalisches Kulturgut ins europäische Hochmittelalter getragen wurde. Dem Trend der Zeit gerecht, wurde die Ud, im Abendland oft auch als Laud, Luth o.ä. bezeichnet, importiert. In Spanien findet man sie spätestens im 13. Jahrhundert, auch in Palermo, im übrigen West- und Mitteleuropa ab 1300 (siehe Quellenverzeichnis). Innerhalb kürzester Zeit erobert die Ud das Musikleben im gesamten katholischen Gebiet. Sie wird zu einem Lieblingsinstrument, insbesondere bei Hofe. Was die bildlichen Belege der Ud anbetrifft, so gibt es nach 1300 einen außerordentlichen Boom. Förmlich aus dem Boden schießen Motive von Udspielern. Dies kann als Indiz für die Geschwindigkeit, mit der dieses Instrument Einzug hielt, gewertet werden, ohne dabei eine gewachsene Anerkennung der Musiker durch die Gesellschaft gering schätzen zu wollen.

Es ist bislang nicht direkt belegt, ob die Ud auch in Byzanz beheimatet war, doch ist es anzunehmen. Ein aus der Zeit der türkischen Eroberung abgefasster altosmanischer Bericht (siehe Quellenverzeichnis/orientalische Ud)) enthält eine Beschreibung einer typischen 72 cm langen Ud. Es könnte natürlich sein, die Türken hätten die Ud erst in dieser Zeit (14./15.Jh.) nach Kleinasien gebracht, jedoch unterschied sich die Musikkultur (ausgenommen die religiöse) unter byzantinischer Herrschaft wenig von der unter seldschukischer. Es scheint denkbar und wahrscheinlich, dass die nichtkirchlichen byzantinischen Musiker sich auch des Instrumentariums der Nachbarländer bedienten, also der Import der Ud schon vor der Zerschlagung des Byzantinischen Reiches sich ereignete. So aber wie die Größe Byzanz in seiner späten Zeit schwand, so schwand auch sein Einfluss auf Osteuropa. Der Import der Ud, der für Byzanz also anzunehmen ist, trug sich nicht in die übrigen orthodoxen Gebiete.

größer größer Für West- und Mitteleuropa hatte, wie erwähnt, der Import der Ud eine große Tragweite. Er stützte sich vornehmlich auf die Kreuzritter, den Herrscherwechsel in Spanien, auch in Sizilien, und den erstarkten Mittelmeerhandel. Als Name für diese europäische l'Ud, Luth oder Laud o.ä. hat sich der Begriff Renaissancelaute eingebürgert, obschon er Anlass zur Verwirrung gibt. Abgesehen davon, dass weder die Musik als solche, noch die Instrumentenbaukunst eine eigentliche Renaissance (Wiedergeburt) erlebt, so etwa wie dieser Begriff kunsthistorisch zu verstehen ist, beschränkt sich auch die Blüte dieses Instrumentes nicht auf diese Zeit der italienischen Renaissance. Vielmehr zeichnet die Renaissancelaute eine nahezu ungetrübte Popularität von 1300 bis wenigstens in die Zeit des Hochbarocks aus. Die definitiven Merkmale, der nach hinten gezimmerte Wirbelkasten, der aus einzelnen Spänen zusammengesetzte bauchige Muschelkorpus, der kurze breite Hals und die relativ große Saitenzahl (siehe Siegeszug der Ud), blieben auch in späterer Zeit. Die Saiten wurden an einem Querriegel mittels kleinen Stiften deckenständig festgekeilt. Viele Prototypen besitzen 9 Saiten, die höchste ist solo, alle anderen doppelchörig. Typisch für die orientalische Ud war die reiche Ornamentik, die mitunter zahlreichen Rosetten, geflammte oder einfach geschwungene Schallöffnungen. Die Renaissancelaute wirkt im Vergleich eher schlicht. Außer einigen frühen Ausnahmen aus Spanien, welches wohl am meisten orientalisiert war, besaßen nahezu alle Renaissancelauten nur eine Rosette, die die Funktion des Schalloches übernahm. Nebenverzierungen verlieren jegliche Bedeutung. Die einzige Haupt- oder Mittelrosette befand sich immer unter der Saitenführung zwischen Querriegelbefestigung und Halsansatz. Die Renaissancelaute wurde entgegen ihrer orientalischen Verwandten meist gezupft. Auffällig ist auch, dass sich recht häufig Frauen ihrer bedienten.

größer Die Familie der Renaissancelaute zeichnet sich durch ein relativ einheitliches Äußeres aus. Eine solche Formenvielfalt wie bei der orientalischen Ud gibt es bei ihr nicht. Der präzise im rechten Winkel nach hinten geknickte Wirbelkasten hat in der Draufsicht die Gestalt eines Trapezes. Er endet immer streng, wie ein Kasten, ohne geschwungene Ausläufer, Schnecken o.ä. Oder besser: Der Abschluss des aus Leisten gezimmerten Kastens ist parallel zum Sattel, dem nullten Bund, über dem die Saiten im Winkel in die Wirbelmechanik laufen. Die Längsleisten (Trapezschenkel) besitzen paarweis gegenüberliegende Löcher, die den Wirbeln Halt bieten. Im Innenraum des Kastens winden sich die Saitenenden um die drehbaren Wirbel. Der Hals ist starr am voluminösen Muschelkorpus befestigt, wobei das Griffbrett auf der Decke weiter verläuft, also Griffbrett und Hals nicht identisch enden. Der Resonatorboden ist aus schmalen gebogenen Holzleisten zusammengefügt bzw. geleimt, sehr bauchig und passt sich dem Umriss der Decke an. Für diesen Deckenumriss lässt sich eine Entwicklung erkennen. Bis Ende des 15. Jahrhunderts nahm er in bunter Vielfalt runde bis ovale Gestalt an. Allen Instrumenten dieses Zeitabschnittes ist der betont konvexe Charakter der Decke gemein. Für die Renaissancelaute des 16. Jahrhunderts hat sich das Verhältnis von Korpuslänge und Korpusbreite eindeutig zugunsten der Länge verändert. Sie entspricht nunmehr der zwei- bis dreifachen Breite. Außerdem hat sich die Stelle der größten Breite relativ weit nach hinten verlagert. Die Draufsicht des Resonators erscheint wie eine am hinteren Ende abgeflachte Ovale, die am vorderen Ende hingegen spitz zuläuft. Diese Ovale neigt dazu, sich in ein spitzwinkliges, horizontal liegendes Dreieck einzuschmiegen. Die Saitenanzahl, die anfänglich 7 bis 9 betrug stieg teilweise sehr in die Höhe, zumal zusätzliche Resonanzsaiten in Mode kamen. Solche Borduninstrumente der Renaissancelaute, die Theorben, hatten Spielsaiten, die auf dem üblichen Griffbrett gegriffen wurden, und Resonanzsaiten, die einzig den Klang voluminöser gestalten sollten, demzufolge eine passive Funktion innehatten und folglich kein Griffbrett benötigten. Für diese Bordunsaiten wurde mitunter ein zweiter Wirbelkasten seitlich des eigentlichen und ein zweiter Querriegel angebracht.




Nach oben Etablierung der Lira da braccio


größergrößer größer größer Etwa synchron mit dem Import der Ud vollzog sich auch bei den Fiedeln ein Qualitätssprung. Es war die ausgehende Zeit der Troubadoure und die Hochzeit des deutschen Minnesang, da etablierte sich die Lira da braccio.Im 14. Jahrhundert verdrängte sie in West- und Mitteleuropa beinahe vollständig die Pandurafiedeln. Bis ins 15. Jahrhundert zählt sie neben der Renaissancelaute zu den wichtigsten und beliebtesten Instrumenten dieser Zeit. Diese Etablierung der Lira da braccio war aber eigentlich nur eine Äußerung einer neuen Qualität der Instrumentenbaukunst Europas. Inspiriert von dem gezimmerten Resonator der importierten Ud, ging nun die Fertigung von Resonatoren generell zu deren Zimmerung über. Nun findet aber ein gewölbter Boden auf der Schulter schlechten Halt. Diesem Anspruch der Schulterhaltung gerecht werdend, kristallisierte sich die Lira da braccio als ein Zargeninstrument. Decke und Boden sind parallel und meist flach, insofern nicht oder nur wenig ausgearbeitet (gewölbt). Die Zarge, also ein sich dem Deckengrundriss entsprechend gebogener Holzspan, verbindet lotrecht Decke und Boden. Diese Lira da braccio ist sicher nicht das erste Zargeninstrument überhaupt, aber die erste Laute - die Fiedeln zählen wir für diese Zeit noch zu den Lauten - mit deutlich gezargtem Korpus, die eine entsprechende Bedeutung erlangte. Diese Zarge ist noch ungeteilt, so dass der Oberbug ohne Abgrenzung in den Unterbug übergeht. Prototypen der immer als Schulter oder Brustfiedel horizontal gespielten Lira da braccio besitzen im Vergleich zur Pandurafiedel einen größeren Korpus, der in der Draufsicht weniger rund erscheint. Die hochgezogenen Schultern erinnern eher an einen Kasten. Gelegentlich besitzt der Korpuskasten eine leichte Taillierung. Die Decke weist größtenteils zugewandte C-Löcher auf. Die drei bis vier, selten mehr Saiten gehen von einem gemeinsamen Saitenhalter aus. Der hölzerne Saitenhalter wurde mit einem Stück Darm (Hängedarm) am Endknopf, an der Zarge aufgehangen. Die Saiten münden in Sagittalwirbeln. Diese befinden sich in einem herz-, blattförmigen oder runden Wirbelbrett.

Die Tatsache, dass Lira da braccio und Renaissancelaute sehr oft zusammen auftraten (siehe Quellenverzeichnis), lässt die Frage aufkommen, warum wurde die Wirbelmechanik der Renaissancelaute, die dem Wirbelbrett ja wesentliche Vorteile voraus hat, nicht auf die Lira da braccio übertragen?




Nach oben Herausbildung der Gitarre


größer Lange Zeit im Schatten der Renaissancelaute stand ein Instrument, welches sich in der Hochzeit seines Konkurrenten herausbildete und in Folge dessen erst im 17. Jahrhundert zu einer gebührenden Popularität aufstieg - die Gitarre. Sie ist bildlich ab dem 15. Jahrhundert belegt (siehe Quellenverzeichnis), jedoch nur sporadisch, demnach relativ selten. Der Resonatorkasten der Gitarre besteht, ähnlich dem der Lira da braccio, aus Decke, Boden und Zarge, wobei aber erstens die Decke immer eben ist, nie auch nur leicht gewölbt, und zweitens die Draufsicht immer und betont 8-förmig, oder besser semmelförmig. Die Zarge muss der Taille folgend unterschiedliche Krümmungen vollziehen und ist durchgehend gleichhoch.
Gewöhnlich besaß die Decke etwa auf Taillenhöhe ein relativ großes, offenes Schalloch, seltener Rosetten oder auch C-Löcher. Insgesamt war ihre äußere Erscheinung auffallend sparsam an Ziergut. Die Längen von Resonanzkasten und Hals entsprachen etwa dem der Renaissancelaute. Die Zargenhöhe und damit die Tiefe war hingegen kaum handbreit. Die Gitarre besaß selten mehr als sechs oder sieben Saiten und wurde meist mit einem Plektrum gespielt. Der relativ breite Hals mündete in einem Wirbelbrett. Es gab für dieses Wirbelbrett zwei grundsätzliche, aber nicht ausschließliche Varianten. Zum ersten die Runden oder Ovalen, ähnlich wie sie bereits bei den Tamburen zu finden waren. Die größtenteils deckenständigen Wirbel sind mehr oder minder im Halbkreis angeordnet. Zuweilen erscheint solch ein Kopf als eine Art Trommel mit einer Wirbelebene (siehe Quellenverzeichnis). Die funktionale Besonderheit solcher Wirbeltrommeln ist jedoch zweifelhaft. Die zweite Variante des Gitarrenwirbelbretts, die sich bei den Prototypen des 16. und 17. Jahrhunderts immer mehr durchsetzte, hatte einen schlichten, funktionalen Umriss von rechteckiger bis trapezförmiger Gestalt. Die Sagittalwirbel waren hinterständig, in zwei fast parallelen Reihen angeordnet. Gelegentlich sind bei der Gitarre aber auch Knickhälse bzw. Wirbelkästen anzutreffen.

größer Das Argument, die Gitarre sei eine Weiterentwicklung der mittelalterlichen Tambur, die dadurch überflüssig wurde, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Jedoch gelten die Einwände hauptsächlich der baulichen Verwandtschaft mit der Lira da braccio. Auch die Musizierpraxis scheint sich von der auf der Tambur in wesentlichen Dingen zu unterscheiden. Ist doch der musikalischen Entwicklung von Gitarre und Renaissancelaute eine gewisse Einheit beschienen. Diese beiden Instrumente, Gitarre und Renaissancelaute, sind die beiden über Jahrhunderte fest im Sattel sitzenden Basispunkte für die Instrumentenentwicklung der gezupften Lauten.




Nach oben Konsolidierung der Violin/Violen


Als in Italien die antike Renaissance im Zenit stand, in den Niederlanden sich das Bürgertum politisch etablierte und in deutschen Landen die Reformation keimte, traten auch die Streichinstrumente in eine neue Etappe ihrer Entwicklung. Diese Etappe wird eröffnet, so sich die Fiedeln von den Lauten abspalten. Dieses Abspalten vollzog sich durch-die Herausbildung der Viola da gamba und der Viola da braccio, deren deutliche Trennung von den zeitgenössischen Zupfinstrumenten und deren Vormachtstellung über allen Streichinstrumenten (für den mittel- und westeuropäischen Raum).Diese beiden Instrumente begründeten als Einheit die Violin/Violen-Familie.

Charakteristisch für die Viola da gamba und die Viola da braccio war zum einen der Kompromiss zwischen maximalen Resonatoreigenschaften und einer ungehinderten, vorteilhaften Bogenführung, zum anderen die kunstvolle Verschmelzung von Kopf und Wirbelmechanik. Was den Resonator anbetrifft, so besteht er aus Boden, Decke und Zarge. Die Decke ist ausgearbeitet (nach außen gewölbt). Am Ort der höchsten Erhebung steht der schlanke Steg, dort also wo die Erregerfrequenz auf den Resonator übertragen wird. Abgesehen von der Vergrößerung des Resonatorvolumens verursacht die künstlich erzeugte Wölbung oder Ausbeulung der Decke eine Spannung des Holzes, welche prägnant die Resonanzeigenschaften beeinflusst. Der Boden ist entweder der Decke äquivalent ausgearbeitet, oder von ebener Gestalt mit einem leicht angewinkelten oberen Viertel. Die Variante des flachen Bodens beschränkt sich als Möglichkeit für die Viola da gamba, wobei das obere Viertel sich in einem horizontalen Knick zum unteren Bodenteil anwinkelt. Ein Novum stellt der Verlauf der Zarge dar, der sich aus den Umrissen der Decke ergibt. Die Decke nämlich tailliert sich; aber nicht indem sie zur halben Länge allmählich schmaler wird, also eine 8-förmige Projektion besitzt, sondern durch eine beidseitige konvexe Einbuchtung. Diese Korpuseinkerbung, die dem Interpreten ein ungehindertes Bogenspiel ermöglicht, verschafft Decke und Boden je vier Eckpunkte im Grundriss, jeweils die Ansatzpunkte der Einbuchtungen. So ist trotz Taille ein großes Resonatorvolumen gewährleistet. Die Zarge muss - ein Holzspan ist ja nicht umzuknicken - an diesen Stellen geteilt werden, den vollziehenden Richtungswechsel durch kantig aneinander geleimte Einzelteile zu bewerkstelligen. Die Zarge besteht so aus wenigstens vier, teilweise bis zu sechs gekrümmten Spänen, die insgesamt die vier Kanten bilden, die Taille zu formen. Diese deutliche Trennung von Oberbug, Mittelbug und Unterbug ist spätestens seit Anfang des 16. Jahrhunderts anzutreffen (siehe Quellenverzeichnis). Die Winkel der Zargenkanten unterscheiden sich von Instrument zu Instrument. Bei Prototypen der Viola da gamba sind sie meist etwas stumpf, das heißt, wenig größer als 90'. Prototypen der Viola da braccio haben meist spitzwinklige Zargen- bzw. Taillenkanten. Auch der Kopf charakterisiert markant Viola da gamba und Viola da braccio. Die Kastenmechanik, wie sie z.B. auch bei der Renaissancelaute verwandt wurde, löste nun bei den Streichinstrumenten beinahe endgültig das Wirbelbrett ab. Die Saiten werden im Inneren des Kastens um die durch gespießten Wirbel gewunden. Bei kleineren Instrumenten ist dieser Kopf aus dem Holz des verlängerten Halses geschnitzt, bei größeren Instrumenten gezimmert bzw. angesetzt. Dieser Wirbelkasten ist aber mitnichten ein Knickhals, er winkelt sich im Ansatz nicht oder nur wenig. Dafür neigt er sich im Verlauf nach hinten, ist demzufolge geschwungen. Den Knickhals der Renaissancelaute zu übernehmen, wäre unvereinbar mit der Spielhaltung dieser Streichinstrumente, da die (linke) Greifhand den Hals von hinten angreift, entgegen der Hals der Renaissancelaute von der Seite bzw., ihrer Haltung entsprechend, von unten angegriffen wird. Die gekrümmte Kastenmechanik endet jedoch nicht wie ein Kasten, sondern geht, die Krümmung wieder umkehrend, in einen nach vorn gerichteten Schmuckkopf über. Die Motive solcher Galionsfiguren reichen vom Tier- oder Menschenkopf bis zur schlichten Standardschnecke.

Der Hals ist relativ schmal, das Griffbrett im Querschnitt abgerundet. Viele Vertreter der Viola da gamba besitzen Bundstäbe, die jedoch nicht fest arretiert, sondern größtenteils um den Hals gelegte Schlingen aus Darm sind, demnach verschieb- bzw. korrigierbar. Die Viola da gamba ist grundsätzlich größer und hat einen entsprechend tiefen, sonoren Klang. Die Kleinen werden sitzend, das Instrument zwischen den gespreizten Beinen, gespielt, die größeren stehend. Vorkämpfer der Viola da gamba entwuchsen der Familie der Gambenfiedel. Es wäre aber nur unsicher zu sagen, wann welches Definitionskriterium der Viola schon bei den Gambenfiedeln auftauchte. Um 1500 konsolidiert sich endgültig die Viola da gamba.
Prototypen dieser besitzen eine hohe Zarge und damit einen voluminösen Korpus. Dieser hat sehr schmale Schultern, so dass die Decke zum Halsansatz spitz zuläuft. Der Oberbug ist deutlich schmaler als der Unterbug. Die sechs Saiten führen über den Steg zum gemeinsamen Saitenhalter, der die Zugkraft auf einen Knauf an der Zarge überträgt. Entweder diente als Knauf die Halterung für den Stachel (Standfuß), in diesem Fall wurde ein Hängedarm benutzt, oder aber ein Holzstift, senkrecht aus dem untersten Ende der Decke ragend, am Unterbalken arretiert. Die Schallöcher vollziehen eine Entwicklung. So herrschen vorerst C-, später S- und wieder später die f-Löcher vor.

Die Viola da braccio korrespondierte in ihrem Aufkommen nach 1500 eng mit der da gamba, dass sie sich nur in Sekundärmerkmalen, zumeist Erbgut der Lira da braccio, von ihr unterschied. Abgesehen von ihrer Haltung - die kleineren Vertreter werden, das Korpushinterteil auf den Schultern ruhend, mit dem Kinn gehalten, die größeren an die Brust gestemmt - weist gerade der Korpus einige Unterscheidungen auf. Die Zarge ist schmal, besitzt, wie schon erwähnt, spitzwinklige Taillenkanten, und die Taille ist oft lang gestreckt. Die Schultern sind hochgezogen, manchmal sogar überschüssig, so dass der Oberbug die Mittellänge überragt. Der Steg ist niedrig aber breit, das Griffbrett entsprechend, und es läuft in einem sehr kleinen Winkel vom Halsansatz als frei schwebender Schlips über dem Korpus weiter. Bei der Viola da braccio finden sich anfänglich noch C-, ansonsten nur S- und f-Löcher.

Die Konsolidierung der Viola da gamba um 1500 und der Viola da braccio wenig später war die Geburt einer neuen Familie der Violin/Violen. Sie sollte ein dominierendes Glied in der europäischen Instrumentenbaukunst werden. Mit der Begründung der Violin/Violen-Familie trennten sich zum einen die Wege von Zupf- und Streichinstrumenten, zum anderen verliert für Europa nun damit der Begriff Laute seine allgemeine Bedeutung. Insofern von den Lauten, dem hier verwandten Sammelbegriff für unterschiedliche Griffbrettinstrumente, - sich eine Streichinstrumentenfamilie absondert, - bei den gezupften oder mit dem Plektrum geschlagenen sich zwei Vertreter auszeichnen, - ansonsten sich das Spektrum den Dynastien unterwirft. Für die weitergehende Entwicklung des (europäischen) Instrumentariums ist der Begriff Laute historisch überholt. Einschränkend muss jedoch bemerkt werden, dass die soeben angeführten Behauptungen für den Osten Europas nicht in dieser Konsequenz gelten.




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