| frühe Geschichte der Gitarre, Laute und Geige - Fortsetzung |
Rainer Nowotny |
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In die Zeit, in der Alexander der Große (356-323 v.u.Z.) die Vorherrschaft
in Griechenland beanspruchte, fällt nun der erste Abschnitt des Imports der
Pandura. Sie wurde entweder von den Persern exportiert, deren achämenidisches
Weltreich bis an die Ägäis reichte, oder von den Perserfeldzügen
Alexanders von Makedonien mit heimgebracht. Ende des 4. Jahrhunderts jedenfalls
tauchten erstmals in Europa Lauten bzw. Panduren auf (siehe Quellenverzeichnis).Die
Einbeziehung dieser in das antike Musikleben vollzog sich jedoch nicht kanonisch.
Die griechische Ästhetik bis einschließlich Aristoteles verabsolutierte
die Harmonie als Erscheinungsform der Schönheit. Flöten, Harfen und
Leiern sind bevorzugt. Sowohl lautstarke als auch rhythmische Instrumente treten
eindeutig in den Hintergrund. Der Neuling musste sich stilistisch anpassen. Eine
Skulptur Ende 4. Jahrhundert v.u.Z. z.B., zeigt eine Panduraspielerin (die Muse
selbst?), die die Saiten mit den Fingern zupft (siehe Quellenverzeichnis); entgegen
wurden Panduren im Orient fast ausnahmslos mit dem Plektrum geschlagen. Im ersten
Abschnitt des Panduraimportes, von den Griechen getragen, wird das Instrument
unverändert übernommen, jedoch die Spielweise den klassischen Traditionen
des Musizierens angepasst.
Der zweite Abschnitt des Imports der Pandura fällt in die Zeit und die politische
Situation der Expansion Roms, welches mit seiner konsequenten Militärpolitik
nahezu alles unterwarf, was in erreichbarer Nähe lag. In die römische
Kultur flossen die unterschiedlichsten nationalen Strömungen ein. So profitierte
auch die Musik von der territorialen Ausdehnung des Imperiums.
Auf christlichen Sarkophargen ab dem 3. Jahrhundert u.Z. wurden gelegentlich Frauen
dargestellt, die kleine Panduren halten bzw. spielen. Diese spätantiken oder
besser frühchristlichen Panduren hatten auffallend kleine Resonatoren und
vier parallellaufende Saiten, die oben mit knopfartigen Wirbeln befestigt wurden.
Sie galt bei Töchtern aus gutem Hause als Zeichen der musikalischen Bildung.
Das Erstaunlichste an dieser, wahrscheinlich sehr leisen Laute ist, dass die frühe
Christenheit sie, wie sonst kaum ein Instrument, akzeptierten; wohl aus dem Grund,
da die Pandura am wenigsten zu "heidnischen Zwecken missbraucht" wurde.|
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Im Zuge dessen vollzog sich eine Verflechtung des römischen und nordisch-germanischen
Kulturgutes. Insbesondere die karolingische Anlehnung an die italienische Kunst
blieb auch für die Musik nicht ohne Folgen. Der Süden hatte vorerst
hauptsächlich eine gebende Funktion, was die Musik als solches und natürlich
auch die Musikinstrumente anbetraf.Neben dem einfachen, nordischen Import der
antiken Panduren kristallisierte sich aber ein neuer, panduraähnlicher Typus
heraus, die Tambur, die nordische Variante der Pandura. Als ihre Wiege kann man
wohl das Frankenreich ansehen. Dort trifft man sie sehr bald in adligen, als auch
in kirchlichen Kreisen. Immerhin wurde König David oft als ein Tamburspieler
dargestellt. Die Tambur galt im wesentlichen als ein typisches Instrument des
Ritterstandes, und dies über einen langen Zeitraum. Ein Prototyp dieser Tambur,
ein Instrument mit langem Hals, ist auf den Illustrationen des Utrechter Psalters
von 830/820 u.Z. dargestellt (siehe Quellenverzeichnis). Diese offensichtlich
kräftig gebaute Laute besitzt einen spatenförmigen Korpus, der sich
zum Hals hin stark ansetzt. Auch durch andere Quellen dieser Zeit ist die Tambur
belegt als eine mitunter große, robuste, panduraähnliche Langhalslaute.
Wahrscheinlich war sie ein ausgesprochenes Männerinstrument. Die 3 bis 4,
selten mehr Saiten wurden meist mit dem Plektrum gespielt. Neben der spaten- bis
hufeisenförmigen, mitunter sogar kantigen Korpusform zeichnet sich noch eine
Besonderheit ab. Die Wirbel, die bei vielen antiken Panduren seitlich in dem verlängerten
Hals staken (Flankenwirbel), erhielten ein eigenes Terrain. Es ist zwar noch kein
Wirbelkasten, aber immerhin schon ein Kopf. Der Hals mündet am oberen Ende
in einem Plateau, welches den Sagittalwirbeln ihren Platz bietet.Als ein Spezialfall
dieser Wirbelplattform besaßen einige Tamburen einen regelrechten Hammerkopf
(siehe Quellenverzeichnis). Eine Interpretation dieses Hammerkopfes ist nicht
ganz eindeutig. War bei diesen Lauten die Wirbelanordnung quer zur Saitenführung?
Die unterschiedlichsten Korpusformen treten im Laufe der Zeit in Erscheinung.
Man kann aber davon ausgehen, dass meist auf eine geschnitzte bzw. ausgehöhlte
Resonanzschale ein dünnes Deckenbrettchen geleimt wurde. Es gab auch Tamburen
mit tailliertem (8-förmigem) Resonator, wobei die obere Hälfte der "8"
mitunter eckig bleibt. Als solche bildeten diese Instrumente wahrscheinlich einen
der wesentlichen Ansatzpunkt für die spätere Herausbildung der Gitarre.|
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Diese Symbiose zeigte Ergebnisse. Zum einen offenbart sich eine Instrumentengruppe
von zweideutiger Verwandtschaft. Entweder sind es modulierte Leiern, die ein Griffbrett
erhielten, oder Tamburen, deren Schallkörper bewusste Ansätze zu Jocharmen
zeigen. Gerade in westlichen Gebieten finden sich diese zahlreich, wobei die Funktion
der Jocharme - es gibt sogar Hinweise auf Griffbrettleiern mit nur einem Jocharm
- nicht geklärt ist. Als Saitenhalterung kommen sie nicht in Frage, auch
nicht für zusätzliche, ungegriffene Saiten. Allenfalls sinnvoll ist
die Interpretation als Vergrößerung des Resonatorraumes. Zum anderen
entwickelte sich im Ergebnis dieser Symbiose eine neue Qualität von Saiteninstrumenten,
die Borduninstrumente. |
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Auf einer Apokalypsehandschrift (920-930 u.Z.) eines spanischen Klosters (siehe
Quellenverzeichnis) begegnen uns dann vier Musiker die senkrecht gehaltene Prototypen
der Panduren mit einem Bogen streichen. Andere spanische Quellen folgen. Nur Jahrzehnte
später tauchten Fiedeln mehrmals in Byzanz - obschon als solches nicht besonders
reich an Quellen mittelalterlichen Instrumentariums - auf. Die Behauptung, der
arabische Raum habe eine Mittlerrolle zwischen den beiden entferntesten Küsten
des Mittelmeeres geübt, ist bisher nicht belegt und muss auch stark angezweifelt
werden. In nur wenigen Jahren erobert sie die europäische Musiklandschaft.
Mitte des 11. Jahrhunderts sind die Fiedeln bis an die Nordsee und an den Dnepr
vorgedrungen. Generell wurden panduraähnliche, kleine, drei- bis viersaitige
Instrumente benutzt. Betrachtet man die Spielweise der frühen Fiedel, so
zeichnet sich Mitte des 11. Jahrhunderts eine Differenzierung ab.
Die sehr verbreiteten Pandurafiedeln, die, nicht mehr nur einfach gestrichene
Panduren, zwar panduraähnlich, aber dennoch von einer eigenen Spezifik, wurden
horizontal an Brust oder Schulter gestemmt. Diese Pandurafiedeln, besaßen
kleine rundliche, mitunter auch elliptisch bis ovale Schallkörper, die sich
zum Hals hin verjüngten, gelegentlich konisch in ihn übergingen, und
schmale Hälse. Pandurafiedeln waren die ersten Griffbrettinstrumente, die
nicht vor den Bauch gehalten und gespielt wurden, sondern in einer vom Körper
wegstrebenden Richtung an Brust oder Schulter.
Spanien bzw. die nordwestliche Mittelmeerküste und Byzanz bilden zwei Ausgangspunkte
für deren Verbreitung. Für die Pandurafiedel spanischen Vorbilds ist
es typisch, dass die Saiten an einem Saitenhalter, der am unteren Korpusende der
Fiedel befestigt war, hinter dem beweglichen Steg angeknüpft wurden. Diese
Saitenaufhängung übertrug damit die Spannung auf den hinteren Teil des
Schallkörpers. Die Saiten verliefen im Grunde parallel. Bei der Pandurafiedel
byzantinischen Vorbilds gingen dagegen die Saiten strahlenförmig (fächerartig)
auseinander. Der Saitenhalter diente gleichzeitig als Steg und war auf der Decke
befestigt (geleimt). Somit hatte die Pandurafiedel byzantinischen Vorbilds eine
Querriegelbefestigung, so dass die Saitenspannung die Decke perpendikular belastete.
Eine Querriegelbefestigung schließt die Möglichkeit ein, dass mitunter
mehrere Saiten gleichzeitig zum Erklingen gebracht wurden. Neben der Fächeranordnung
der Saiten und deren Querriegelbefestigung ist für die Pandurafiedel byzantinischen
Vorbilds ein langer Streichbogen typisch. Auch benutzte sie vorzugsweise Flankenwirbel,
hingegen bei der Pandurafiedel spanischen Vorbilds nahezu ausnahmslos Sagittalwirbel
anzutreffen sind.
Die senkrechte Haltung von gestrichenen Lauten, wie sie bereits auf sehr frühen
Abbildungen zu sehen ist, verliert sich aber nicht mit der horizontalen Spielweise.
Die Rebec - ihre frühen Formen sind panduraähnlich - ist ein kleines,
senkrecht auf den Knien gestrichenes Griffbrettinstrument. Anfänglich vor
allem in Südeuropa, ist sie nach und nach aber bevorzugt in islamischen Gebieten
anzutreffen. Später wird sie gar für spezifisch orientalisch erklärt.
Dass aber die Herkunft der Rebec orientalisch oder arabisch ist, muss bislang
als unbegründete Spekulation zurückgewiesen werden. Vielmehr deuten
die Hinweise (siehe Quellenverzeichnis) auf einen südeuropäischen, wahrscheinlich
spanischen Ursprung der Rebec. Angemerkt sei aber, dass es diesbezüglich
nicht besonders viel orientalisches Quellenmaterial gibt. Der Korpus der Rebec
ist tropfenförmig, was der Haltung auf den Knien entgegenkommt. Dieser sehr
kleine Schallkörper hatte oft einen konischen Halsübergang. Die Rebec
existierte in zwei Grundformen. Die (west-)europäische Kniefiedel besaß
ein Wirbelbrett mit Sagittalwirbeln. Mit ihren 3 bis 4 Saiten unterschieden sich
die Prototypen nicht wesentlich von der Pandurafiedel spanischen Vorbilds. Die
arabische Rebec erhielt einen Wirbelkasten, der äquivalent dem der Ud entweder
geschwungen oder kastenförmig war. Die Prototypen besaßen zwei Doppelsaiten,
die mit kurzen Bögen angestrichen wurden. Gelegentlich wiesen sie eine Querriegelbefestigung
auf, was einen Kontakt mit den byzantinischen Fiedeln nicht ausschließt.
Die Saiten der arabischen Rebec wurden seit spätestens dem 13. Jahrhundert
nicht, wie bei den europäischen Fiedeln, mit den Fingerkuppen auf das Griffbrett
gedrückt, sondern mit den 2. oder 3. Gliedern der Finger. Damit entfällt
z.B. die Möglichkeit des Vibratos.
Im Nordwesten Europas gesellt sich der kleinen Schulterfiedel Anfang des 12. Jahrhunderts
eine neue Familie von Streichinstrumenten hinzu. Einige Zeichnungen und Plastiken
bzw. Reliefs geben zwar darüber Auskunft (siehe Quellenverzeichnis), jedoch
sind sie mitunter in expressionistischer Stilistik gefertigt, derart, dass es
nur schwer möglich ist, sich ein klares Bild darüber zu machen.Die insgesamt
größere Gambenfiedel wurde aufrecht zwischen den Knien gehalten, im
Gegensatz zur Rebec, die auf die Knie gestellt wurde. Die gespreizten Beine klemmen
das Instrument ein. Abgesehen davon, das der Schallkörper viel größer
als der der Pandurafiedel ist, zeigt er eine auffällige Besonderheit. |
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Für West- und Mitteleuropa hatte, wie erwähnt, der Import der Ud eine
große Tragweite. Er stützte sich vornehmlich auf die Kreuzritter,
den Herrscherwechsel in Spanien, auch in Sizilien, und den erstarkten Mittelmeerhandel.
Als Name für diese europäische l'Ud, Luth oder Laud o.ä. hat
sich der Begriff Renaissancelaute eingebürgert, obschon er Anlass zur Verwirrung
gibt. Abgesehen davon, dass weder die Musik als solche, noch die Instrumentenbaukunst
eine eigentliche Renaissance (Wiedergeburt) erlebt, so etwa wie dieser Begriff
kunsthistorisch zu verstehen ist, beschränkt sich auch die Blüte dieses
Instrumentes nicht auf diese Zeit der italienischen Renaissance. Vielmehr zeichnet
die Renaissancelaute eine nahezu ungetrübte Popularität von 1300 bis
wenigstens in die Zeit des Hochbarocks aus. Die definitiven Merkmale, der nach
hinten gezimmerte Wirbelkasten, der aus einzelnen Spänen zusammengesetzte
bauchige Muschelkorpus, der kurze breite Hals und die relativ große Saitenzahl
(siehe Siegeszug der Ud), blieben auch in späterer Zeit. Die Saiten wurden
an einem Querriegel mittels kleinen Stiften deckenständig festgekeilt.
Viele Prototypen besitzen 9 Saiten, die höchste ist solo, alle anderen
doppelchörig. Typisch für die orientalische Ud war die reiche Ornamentik,
die mitunter zahlreichen Rosetten, geflammte oder einfach geschwungene Schallöffnungen.
Die Renaissancelaute wirkt im Vergleich eher schlicht. Außer einigen frühen
Ausnahmen aus Spanien, welches wohl am meisten orientalisiert war, besaßen
nahezu alle Renaissancelauten nur eine Rosette, die die Funktion des Schalloches
übernahm. Nebenverzierungen verlieren jegliche Bedeutung. Die einzige Haupt-
oder Mittelrosette befand sich immer unter der Saitenführung zwischen Querriegelbefestigung
und Halsansatz. Die Renaissancelaute wurde entgegen ihrer orientalischen Verwandten
meist gezupft. Auffällig ist auch, dass sich recht häufig Frauen ihrer
bedienten.
Die Familie der Renaissancelaute zeichnet sich durch ein relativ einheitliches
Äußeres aus. Eine solche Formenvielfalt wie bei der orientalischen
Ud gibt es bei ihr nicht. Der präzise im rechten Winkel nach hinten geknickte
Wirbelkasten hat in der Draufsicht die Gestalt eines Trapezes. Er endet immer
streng, wie ein Kasten, ohne geschwungene Ausläufer, Schnecken o.ä.
Oder besser: Der Abschluss des aus Leisten gezimmerten Kastens ist parallel
zum Sattel, dem nullten Bund, über dem die Saiten im Winkel in die Wirbelmechanik
laufen. Die Längsleisten (Trapezschenkel) besitzen paarweis gegenüberliegende
Löcher, die den Wirbeln Halt bieten. Im Innenraum des Kastens winden sich
die Saitenenden um die drehbaren Wirbel. Der Hals ist starr am voluminösen
Muschelkorpus befestigt, wobei das Griffbrett auf der Decke weiter verläuft,
also Griffbrett und Hals nicht identisch enden. Der Resonatorboden ist aus schmalen
gebogenen Holzleisten zusammengefügt bzw. geleimt, sehr bauchig und passt
sich dem Umriss der Decke an. Für diesen Deckenumriss lässt sich eine
Entwicklung erkennen. Bis Ende des 15. Jahrhunderts nahm er in bunter Vielfalt
runde bis ovale Gestalt an. Allen Instrumenten dieses Zeitabschnittes ist der
betont konvexe Charakter der Decke gemein. Für die Renaissancelaute des
16. Jahrhunderts hat sich das Verhältnis von Korpuslänge und Korpusbreite
eindeutig zugunsten der Länge verändert. Sie entspricht nunmehr der
zwei- bis dreifachen Breite. Außerdem hat sich die Stelle der größten
Breite relativ weit nach hinten verlagert. Die Draufsicht des Resonators erscheint
wie eine am hinteren Ende abgeflachte Ovale, die am vorderen Ende hingegen spitz
zuläuft. Diese Ovale neigt dazu, sich in ein spitzwinkliges, horizontal
liegendes Dreieck einzuschmiegen. Die Saitenanzahl, die anfänglich 7 bis
9 betrug stieg teilweise sehr in die Höhe, zumal zusätzliche Resonanzsaiten
in Mode kamen. Solche Borduninstrumente der Renaissancelaute, die Theorben,
hatten Spielsaiten, die auf dem üblichen Griffbrett gegriffen wurden, und
Resonanzsaiten, die einzig den Klang voluminöser gestalten sollten, demzufolge
eine passive Funktion innehatten und folglich kein Griffbrett benötigten.
Für diese Bordunsaiten wurde mitunter ein zweiter Wirbelkasten seitlich
des eigentlichen und ein zweiter Querriegel angebracht.|
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Etwa synchron mit dem Import der Ud vollzog sich auch bei den Fiedeln ein Qualitätssprung.
Es war die ausgehende Zeit der Troubadoure und die Hochzeit des deutschen Minnesang,
da etablierte sich die Lira da braccio.Im 14. Jahrhundert verdrängte sie
in West- und Mitteleuropa beinahe vollständig die Pandurafiedeln. Bis ins
15. Jahrhundert zählt sie neben der Renaissancelaute zu den wichtigsten
und beliebtesten Instrumenten dieser Zeit. Diese Etablierung der Lira da braccio
war aber eigentlich nur eine Äußerung einer neuen Qualität der
Instrumentenbaukunst Europas. Inspiriert von dem gezimmerten Resonator der importierten
Ud, ging nun die Fertigung von Resonatoren generell zu deren Zimmerung über.
Nun findet aber ein gewölbter Boden auf der Schulter schlechten Halt. Diesem
Anspruch der Schulterhaltung gerecht werdend, kristallisierte sich die Lira
da braccio als ein Zargeninstrument. Decke und Boden sind parallel und meist
flach, insofern nicht oder nur wenig ausgearbeitet (gewölbt). Die Zarge,
also ein sich dem Deckengrundriss entsprechend gebogener Holzspan, verbindet
lotrecht Decke und Boden. Diese Lira da braccio ist sicher nicht das erste Zargeninstrument
überhaupt, aber die erste Laute - die Fiedeln zählen wir für
diese Zeit noch zu den Lauten - mit deutlich gezargtem Korpus, die eine entsprechende
Bedeutung erlangte. Diese Zarge ist noch ungeteilt, so dass der Oberbug ohne
Abgrenzung in den Unterbug übergeht. Prototypen der immer als Schulter
oder Brustfiedel horizontal gespielten Lira da braccio besitzen im Vergleich
zur Pandurafiedel einen größeren Korpus, der in der Draufsicht weniger
rund erscheint. Die hochgezogenen Schultern erinnern eher an einen Kasten. Gelegentlich
besitzt der Korpuskasten eine leichte Taillierung. Die Decke weist größtenteils
zugewandte C-Löcher auf. Die drei bis vier, selten mehr Saiten gehen von
einem gemeinsamen Saitenhalter aus. Der hölzerne Saitenhalter wurde mit
einem Stück Darm (Hängedarm) am Endknopf, an der Zarge aufgehangen.
Die Saiten münden in Sagittalwirbeln. Diese befinden sich in einem herz-,
blattförmigen oder runden Wirbelbrett.|
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Lange Zeit im Schatten der Renaissancelaute stand ein Instrument, welches sich
in der Hochzeit seines Konkurrenten herausbildete und in Folge dessen erst im
17. Jahrhundert zu einer gebührenden Popularität aufstieg - die Gitarre.
Sie ist bildlich ab dem 15. Jahrhundert belegt (siehe Quellenverzeichnis), jedoch
nur sporadisch, demnach relativ selten. Der Resonatorkasten der Gitarre besteht,
ähnlich dem der Lira da braccio, aus Decke, Boden und Zarge, wobei aber
erstens die Decke immer eben ist, nie auch nur leicht gewölbt, und zweitens
die Draufsicht immer und betont 8-förmig, oder besser semmelförmig.
Die Zarge muss der Taille folgend unterschiedliche Krümmungen vollziehen
und ist durchgehend gleichhoch.
Das Argument, die Gitarre sei eine Weiterentwicklung der mittelalterlichen Tambur,
die dadurch überflüssig wurde, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Jedoch gelten die Einwände hauptsächlich der baulichen Verwandtschaft
mit der Lira da braccio. Auch die Musizierpraxis scheint sich von der auf der
Tambur in wesentlichen Dingen zu unterscheiden. Ist doch der musikalischen Entwicklung
von Gitarre und Renaissancelaute eine gewisse Einheit beschienen. Diese beiden
Instrumente, Gitarre und Renaissancelaute, sind die beiden über Jahrhunderte
fest im Sattel sitzenden Basispunkte für die Instrumentenentwicklung der
gezupften Lauten.|
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