Gedichte
Rainer Nowotny
Auf der Landstraße
Windes Gewalt
landwärts. Die Kraft
im Sturm. Geballt
deine Bruderschaft.
Furchtsam im Schlot
heult, oft verwegen
die Nacht, doch ich bot
die Stirn dir entgegen.
Ach, wenn ich in den Süden ginge,
der Herbst zög' nicht so früh in mein Gemüt.
Ein wenig länger, dass vor meinem Hause blüht
die Blume, die mir von der Wärme singe.
Doch ach, der Süden, oder gar der Osten noch,
die Ferne wird in dieser gleichen Weise
weggeträumt. Gesteh 's mir selber leise:
Gefangener der Kontinente bleib ich doch.
Ein Sklave schon vor Mitternacht,
mein eigner. Knecht der Zeit.
Am Abend noch im steten Gang
das Dunkel. Wohin auch im Lichte?
Bleiben nach mir. Meine Schritte
hält der Sand noch.
Regen, kühle meine Stirn!
Aus dem Finster, aus dem Helle -
Staub wird einst mein Ziel und meine Furcht.
Ist alles was ich schrecke
schon vor allen Zeiten
und so fort
und so fort.
Wohin ist der Sohn mir
Zu sehen, so man rückwärts blickt,
die Bäume, die ich pflanzte dir,
sie sind vom Sturm geknickt.
Das Haus, aus meiner Hand entstand,
verlassen, baugefälliges Quartier,
davor liegt ödes Land.
Die Worte, die ich niederschrieb,
zerknüllt vorm Ofen das Papier,
und dann als Asche blieb.
Doch andres lässt mich tränen:
Wohin ist der Sohn mir?
Welches Dunkel seine Schritte nehmen.
Russische Erinnerung
Wie lang ist's mir vorbei
wie fern die Sinne jener Zeit
wie fern war auch der Ort
und wie dein Name war, verzeih,
und deiner Stimme fremdes Wort,
war's nur ein Traum, war's Wirklichkeit?
in einem Birkenwald wir zwei.
"Diese Birken, ungezählt, die steh'n,
(wie klar Erinnerungen sind)
doch diese weißen Stämme, junge Recken,
die zum Himmel seh'n,
hell sich im Geäst erstrecken.
Flüsternd geht der Wind
wie die Märchen, die vorüber weh'n."
Ein Heer von stillen Wachen
sah schweigend unserm Märchen zu,
stand schützend jener schönen Zier;
Kam da ein Singen, kam ein Lachen
- Birken eskortierten zum Spalier -
Aus jener Welt kamst du,
mir einen Traum entfachen.
Und seh' ich heute einen Hain
von diesen weißen Bäumen,
mit ihrem zarten Grün im Laub,
und wär' der Flecken noch so klein,
für Sekunden werd' ich taub:
fall in ein Träumen:
gedenke Dein.
Der Waldkauz ruft: "Komm mit";
es denkt jemand an dich.
Du gingst aus dieser Welt im Schritt
unmerklich für des Nachbarn Tritt;
Es blieb in dieser Welt: ich.
Es war noch unvollbracht: heilend End
ein Wort, gesprochen aus der Quelle
deiner Zeit, die wohl ihr Ende kennt,
die alles Weltliche geblend't;
war für uns Gaffer eine Frage an die Hölle.
Das Glas, was war gedacht für Dein,
wird dieser Sand vor meinen Füßen trinken.
Und fließt ins Erdreich zu des grob Gestein,
wo später Staub aus deinem Bein;
Den Schnaps von mir in dich zu senken.
Heut' fiel der erste Schnee und zog
dem Wald das Kleid der Unschuld auf.
Ein Wagen um die Ecke bog,
zwei Männer, Haftbefehl, Revolverlauf.
Ein letzter Gruß hinter den Gittern,
hinter Mauern hat man dich gebracht;
wovor bekam die Macht das Zittern?
geraucht hast du, gegeigt, gelacht?
Gefährte mancher Tage Glück,
gab es ein Wir für eine Zeit,
vom weiten Weg ein kleines Stück,
ein Ahnen von Geborgenheit.
Zum stillen Abschied werd' ich mir
in den Tabak etwas Haschisch geben,
deiner und der Zeit mit dir
gedenken - unser kurzes Leben.
Ihre Hand gefasst, geküsst, gebissen,
schrak sie zurück, der Keuschheit Schwert:
"Du willst es wirklich wissen?"
Zum Schein gab prüde sie sich wert,
und schlaf allein auf meinem Kissen.
Im Traum dem Schlaf entrissen:
Waden, Schenkel, Liebesherd,
die Fahne aller Lust zu hissen,
den Apfel der Erkenntnis unversehrt,
die zwölfte Rippe heut' zu küssen.
"Ich will dich", sagt er, sie sagt es auch.
Doch ach, die kleine Kammer unterm Dach,
Kälte durch die Türe zieht, der Rauch
vom Zigarettenstummel macht die Unlust wach.
"Auf dem Herd der Kessel mit dem Wasser kocht,
lass einen Tee uns lieber trinken noch vordem."
Und weil der Regen wie zum Wecken pocht,
schlägt sie das Tuch zurück, davonzugeh'n.
Der Frühling will und will nicht kommen,
so oft ich nach ihm rief
in schönsten Silben. Im frommen
Flehen ihn zu wecken, doch er schlief.
Schon längst ist seine Zeit heran,
so muss ich mit mir ringen:
mit Gewalt dem Zögern dann
meine bloßen Hände gegenbringen
Packen will ich dich mit festen
Griffen, hierhin pflanzen.
Will den Schnee, den letzten,
mit den nackten Füßen fort jetzt tanzen.
Entblöße gierig meine Glieder:
ins Freie meine Brust
Dass die Sonnenstrahlen wieder
dem Herz mir schlagen neue Lust.
An den Zweigen leis' empor
die Knospen, die sich wagen.
Will sie fressen, noch bevor
der Frost sich widersetzt, sie abzunagen.
Komm du Sturmgesell:
Beug die Esche nieder.
Uns raub
das Laub.
Von der Eile - Schnell
holt die Wärme uns wieder.
Sommer, du Löwe (für Brünnhild)
Fressende Mähdrescher, ihr Ungeheuer,
die das Brot für das lange Jahr uns ernten,
verschlingen die schweren Ähren und fressen.
Und fressen, bis sie dann brüllend verharren.
Schütten sie brüllend ihre vollen Bäuche
in die Erntewagen, die da schon warten.
Und weiter gieren die hungrigen Haspeln
in das sich wiegende Getreide hinein.
Wie satt sind die Blicke; wie reich ich doch bin,
wie nah sind mir alle Löwen des Sommers.
Flimmerndes Licht in ihrer fernen Nähe.
Dass eine Freude über das Gesicht mir zieht
In diesen Momenten, wie reich ich doch bin,
an meine Tochter zu denken, zu träumen.
Auf dem Bahnhof war der Morgen noch nicht da,
sie saß mir gegenüber, sprach ein kleines Wort,
dass sollte heißen: der Rest ist deine Pflicht!
Es war wirklich reichlich früh und offenbar
zu früh. Doch schön war sie und günstig war der Ort.
Allein ich zögerte, ergriff sie nicht.
Da blieb sie eben stumm, griff sich ins Haar.
Es wär' an mir gewesen: die Chance verdorrt.
Auf der Rolltreppe steht sie noch mal im Licht,
dreht sich um, ein Gruß umsonst fürwahr.
Nun fährt sie mit dem Zug fort,
und sie hatte so ein liebliches Gesicht.
Da Faustus also erkannte, dass ihm die Zeit zu knapp und der Raum zu eng, ging er zum Vollmond auf die Lichtung, zeichnete zwei magische Kreise, zitierte Beschwörungsformeln - er kam, der Diabolische. "Höre! Zwei mal zwölf Jahre stehen dir die teuflischen Mächte zu Diensten, dann aber wirst du deren Sklave, deren Fraß."
Faustus erbat sich drei Stunden, zu bedenken.
In der ersten Stunde ging er zum Troll, der da wohnte im Unterholz. "Werde ich mit teuflischen Mächten sehen können, was ich bisher nicht sehen konnte?"
Der Troll aber sprach: "Wenn du einmal in die lodernden Flammen geschaut in finsterer Nacht, so gibt es nimmer etwas Neues mehr zu sehen."
In der zweiten Stunde ging er zur Hexe, die da wohnte im Eichbaum. "Werde ich mit teuflischen Mächten erfahren können, was ich vorher nicht erfahren konnte?"
Die Hexe aber sprach: "Wenn du einmal die Wollust gespürt, so gibt es nimmer etwas Größeres zu erfahren."
In der dritten Stunde ging er zum Weisen, der da wohnte in der Einsiedelei. "Werde ich mit teuflischen Mächten wissen können, was ich vordem nicht wissen konnte?"
Der Weise schwieg.
Als die Zeit heran, ging Faustus zum Treffpunkt, schnitt sich in die Adern und unterschrieb den Vertrag.
Brünnhild, Walküre, also Ewige, bekennt sich, was Unsterblichen nicht zusteht, zu liebenden Menschen, mischt sich in des Schicksals Lauf, einen liebenden Menschen vor einem tödlichen Streich zu bewahren, fällt darauf in Verdammnis, bestraft, das Sterbliche der Menschen zu teilen, wird ihr aber ein Auserwählter unter den Menschen versprochen, sie zum Menschen zu erwecken, und also ist sie in ihrer Verdammnis aus der Ewigkeit auch gleichzeitig verdammt, der Liebe sich zu unterwerfen.
Brünnhild wird schlafen gelegt in einen Wall von Flammen, die erst Siegfried, der Held, der Kummer nicht kennt, erstürmt und also durch die Vorbestimmung ihr versprochen zu sein scheint, doch sie alsbald verlässt, sorgenfrei in die Welt zu ziehen; späterhin verhilft er dem schwachen König Gunther, die auf ihre verlassene Liebe Wartende zu bezwingen und die Eroberte zu freien.
Alle versuchen sich zu arrangieren, der König, seine Schwester, der Hofstaat. Siegfried bleibt unbekümmert, also dumm, nur Brünnhild erstarkt, bekennt sich zur Liebe und erkennt. Sie erkennt Verrat, doch findet sich kein Verräter - Wer machte sich schuldig? Siegfried versprach nie etwas, denn er träumte; Gunther behauptete nie, dass er stark sei; Gudrun war natürlich unschuldig, außerdem schön. Aber keiner ist fähig zur Liebe, nur eine.
Siegfried wird getötet. Als sein Leichnam verbrennt, geht Brünnhild in den Freitod.
Der ewige Jude
Die Qualen der Hast
Die Furcht vor der Rast,
in seine Ewigkeit fasst.
Der Sarg aus Glas des Knaben
zu früh in die Gruft gegraben.
Wirft sich für ihn vor die Raben.
Das Blei zerfetzt sein Fleisch,
doch das Ende entweicht,
geronnenes Blut erbleicht.
Die Fluten versprechen Entkommen.
dem Tosen der Brandung benommen,
durch rettenden Bracke entronnen.
Von Schluchten zu fallen,
wo bleibt sein Prallen:
Nur zartes Verhallen.
Ein Zerbrechen ohne Scherben
Verdorrt ohne Verderben.
Das Gewesene beerben.
Am Morgen, der wieder in die Straße kam,
er aufstand und sich seine Schuhe schnürte,
fragte Anna ihn: "Gehst du wieder in die Welt?"
Er aber antwortete "Ich bin in der Welt."
Es waren Tränen in ihren Augen,
doch Freude war im Herz.
Ein Gehen, das den Abschied in das Dort verbannt.
Dieser Gruß der Anna an den Ahasver war viel.
War frei von Schmerz und Freude über einen letzten Blick.
Die Liebe ist in mir
und bleibt auf allen meinen Wegen doch die meine.
Doch ohne Holz und ohne Kohle kann kein Feuer brennen,
drum bedarf es deiner
um die Glut in mir, die ich bewahr, aufs neue
zur hellen Flamme zu entfachen.
Ein sorgsames sei es
um das, was nur das meine ist,
was aber ich dir zeige und dir zu deinem Zwecke überlasse,
wenn am nächsten Kreuzweg wir und wiedersehen.
Der Mandelzweig
Nahe einer Gegend lebte ein Mönch, den man den Bissenbeißer nannte, der viel bewundert wurde, ob seiner strengen Askese und vor allem dafür, dass bisher niemand und nichts ihn hatten aus seinem in Versenkung Verharren, aus seinem Gebet bringen können.
Keiner vermochte zu sagen, wann er noch nicht in der Einsiedelei seinem Schweigen nachging, also sagten alle, er sei schon immer da.
Es wuchs in dieser Gegend aber eine Schönheit heran, die es sich gefallen ließ, dass jeder um sie warb und buhlte. So lockten die süßen Winde der Bewunderung.
Eines Tages ging diese junge Frau zum Orte der Einsiedelei, um den Asketen zu beobachten, der sie gar nicht zu bemerken schien.
Sein Tageslauf war streng. Schon vor Sonnenaufgang setzte er sich zum Gebet unter einen großen Baum und verharrte dort bis Sonnenuntergang, brach dann ein einziges Stück Baumrinde, aß es, legte sich zur Nacht in eine kleine Hütte.
Vor dem nächsten Tag steckte sie süße Mandeln in die Rinde des Baumes und legte einen blühenden Mandelzweig auf die Stelle seiner asketischen Übungen.
Als er am Abend eine Mandel statt der Rinde aß, stutzend, Tage brauchend, bald aß er zwei, bald bemerkte er den blühenden Mandelzweig und sah auch dann die Schönheit der Jugend vor seinen Augen.
Doch Schönheit ist nun das Versprechen auf die Künste der Liebe. Es begann in dem Manne das Feuer der Begierde zu brennen.
Die Vermischung nahm sich ihre Zeit, die jetzt war. Sie zeugten einen Sohn, und von dem Ereignis der Schwangerschaft ergriffen, brachte er nicht einen Tag noch im Gebete zu.
Den Sohn, den sie gebar, nannte sie Mandelzweig. Bald überredete sie den liebesblinden Mann, mit dem Kind in die Stadt zu gehen. Dort aber empfing sie große Bewunderung, die sie genoss, dass solches ihr mit diesem Asketen gelang.
Der Mann erschrak, glaubte sich als ein Werkzeug zu erkennen einer sich selbst huldigenden Schönheit. Ohne zu wägen und ohne zu wählen ergriff ihn der Zorn, dass er in seiner Blindheit nach seinem Sohn griff. Das Kind jedoch entschwand, als sei es nie gewesen, statt dessen hielt der Mann einen blühenden Mandelzweig in den Händen, den er in den Fluss stieß. Der Fluss erflutete mit Getösen.
Verzweifelt über das eigen Getane ging der Mann weit.
Zu einer Zeit, da es noch keine Dichter und keine Hörer gab, existierte weder Rose noch Tulpe noch sonst eine der bekannten Blüten. Es gab nur die eine Blume. Sie war schön, wie keine Schönheit seither wieder gesehen wurde.
Alle begehrten diese Blume, die Bäume, die Vögel, die Hummel, selbst das Gesträuch. Da die Blume voller Liebe und die Werbungen vielgestalt und innig, ließ sie alle zu sich und ließ sie ein.
Der Samen reifte in ihr, und da jeder Same sein Leben forderte, welkte die Blume. Ihr wurde gram und wehmütig. Als der Samen fiel und keimte, starb die Mutter Blume.
Es wuchsen Nelken, Narzissen, Rosensträucher, Kirschbäume und alle ihre Töchter, aber die Schönheit der Mutter Blume war verwelkt.
Nun suchen die Menschen zwar die Anemonen, die Schlehenblüten oder Wasserrosen, wähnen aber immer nur die eine Blume zu finden, die ungesehene, aber finden immer doch eine von vielen Töchtern.
Es bedarf des Schurken, manchmal, der einem großen Meister seine Meisterschaft entlockt.
Als Andre, der Maler, Jahre schon die Pinsel ruhen ließ, ja mehr noch, schwor, seit damals, sie nicht mehr zu verwenden, musste der einst verlogene Vetter zu ihm sagen: "Höre Andre, als du
gestoßen, ich war's der den Häschern deine Laster preisgetan, da der Neid mir damals auf deine Bilder meine Augen verklebt, wie dein geübter Stich die Farben dünn und die Gesichter stark
vereinte, wie die Linien klar durchdacht und ohne abzuschweifen die Formen schlossen ... , der Ekel, dieses selbst nicht zu vollbringen, schuf den Verrat in mir, doch jetzt, wo deine Hände
ruhen, sag ich dir, weil auch der Tod nun meinem Neiden ein Ende machen wird, dass ich gesündigt, dich zum Ketzer schalten ließ, du aber:
Deine Sünde, Andre, ist größer, nicht zu messen mit dem kleinen Neid.
Deine Pinselzüge hätten Großes bringen können, nun bist du ein Nichtnutz, ziehst in Land. Warum gab man dir die Gabe, vermodern ließest du sie."
Aufgeschreckt von solcher Offenheit aus dem Schlafe des Gelübdes, kalt der Schauer in ihm steckt, greift zu Farben, Pinsel nimmt den nächsten Wagen, der ihn fortbringt, zur Kathedrale, die seiner Künste wartet.
Ein Mann war, der hatte Haus und Hof, wie's sich gehört, doch lebte keine Frau bei ihm, denn keine war, die ihm die Sehnsucht, nach Geheimem, das er beim Namen nicht zu nennen wusste, konnte stillen. Es gab wohl diese oder jene auch, die ihm als Hexe einst erschien, von der er blind - sich bald ernüchtert fühlte. So war er das Leben lang auf der Suche, wo aber war das zu finden, was er Hexerei nannte?
Eines Tages kam eine junge Dirne auf seinen Hof, sich für den Sommer zu verdingen. Ihre Schönheit, ihre Jugend bezauberten ihn so ehr, dass er sagte: "Sie muss hexisch sein!" Und als sie ging, folgte er ihr durch Land, kreuz und quer.
Als Jahre vorüber, als wieder ein Sommer verstrich, sah er und sah und sprach zu sich: "Es ist wieder keine Hexe, wieder ist's nur eine schöne Frau." Bestieg seinen Wagen und fuhr heimwärts.
Als nun auf seinen Hof er einfuhr, kläffte sein Hund, der alte, ihm entgegen wie zum Willkommen, doch die Tür des zurückgelassenen, fast schon verfallenen Hauses blieb ihm verschlossen. Es drang geahntes, unbekanntes heraus: ein Hexensabbat. Im eignen Haus, als er weit fort. Doch ohne ihn. Als er die Fremde meinte suchen müssen, verwob sich hier im eignen Heim, das er dafür immer als unmöglich hatte erachtet, jenes von ihm schauerlich Ersonnene, das aus Furcht vor der Nähe er im Abseitigen glaubte nur finden zu können, weil dort er dem Träumen mächtig sich wähnte.
Der Mann klopfte ergeben um Einlass, denn er fühlte sich angekommen in der Fremde.
Die Farnkrautesser
Zwei fromme Mönche aus dem Kloster dort in der Ebene, die die Schrift kannten, wie sich selbst nicht, unklar aber miteinander ob, die Frage darum war manches Tages Werk, Jesus ein eigenes Gewand besaß und wessen die Speisen waren, die er aß, denn seien Gewand oder Speisen sein eigen, er hätte sie kaufen müssen, woher aber das Geld, oder gehörte ihm nichts und damit alles, oder lebte er vom Schenken Frommer, was keine gültige Antwort den beiden geben mochte, so entschlossen sie sich, der fremden Versorgung der Klosterküche, der Abhängigkeit des weltlichen Ablassgeldes, womöglich den Almosen zu entsagen, um von nichts zu leben, als von dem, was keinem anderen müsste genommen werden, so dass sie sich an einem Frühlingstag auf den Weg machten, bald in diese, bald in jene Richtung gingen und also in einen Wald im Gebirge anlangten, wo es eine Höhle gab, vor Kälte und Regen zu schützen und wo der Wald reichlich bot was essbar war, auf dass sie an Früchten sich labten, bis jedoch sie um jene Früchte sich Vögel streiten sahen, also dem Klee Vorrang gaben, bis auch dieser, wie sie sehen mussten, den Rehen zugetan war, was letzten Endes dazu führte, dass sie das Farn, wovon es genug gab und was scheinbar jeder entbehren konnte, zu essen begannen und nicht ahnten, dass, sie waren in den nahen Orten schon ins Gerede gekommen, ob denn das Farnkrautessen nicht aufs Gemüt ginge, an einem kalten Herbsttag einige Waldarbeiter die beiden verhungert in der Höhle finden werden, worauf sich noch mehr Gerede und Gerüchte entspinnt, wovon das eine große Verbreitung findet, welches erzählt, ein Junge habe die beiden Alten necken wollen und ging sie fragen, ob sie nicht wüssten, dass dieser Wald und also alles was darinnen wächst und gedeiht, dem Grafen gehöre, worauf sie hätten aufgehört, vom Farn zu essen.
Medeas Sohn
Milch und Honig fließen aus dem Kaukasus in die Täler von Kolchis, wo Medea, Königstochter mit Zauberkräften, dem fremden Jason begegnet, der über das Schwarze Meer mit seiner Argo geschifft war, um das Goldene Vlies sich zu stehlen; gelingt es nur, weil in Medea die Liebe entbrannt: der Held kam aus der süßen Ferne.
Dorthin fliehen die beiden, als ihr Bruder getötet wurde durch Jasons Schwert. Aber die Argo bringt sie nicht in eine Heimat, denn auch Jasons Thronfolge bleibt den Flüchtenden verwehrt.
Endlich in Korinth bekommen sie Asyl: zu wenig für so viel Kräfte in Ihnen.
Die Liebe bleibt auf der Argo zurück, als Treibholz zwischen den griechischen Inseln.
Jason wird Gast am Hofe von Korinth: die Tochter des Königs regt Absicht, ihre Erbfolge mit einem Gatten zu teilen.
Wo aber bleibt Medea?
Bevor sie wieder der Flucht sich übergibt, trennt sie alle Verbindung, tötet sie ihren Sohn.
Schönheit, die der
Wind um meinen Körper weht,
hältst nicht inne vor Gewöhnlichkeiten -
die Leidenschaft ist blind für alle grauen Seiten.
Schönheit, die so lockend vor mir steht,
bleibt im Dunkel nur ein stummes Wort von dir,
greift doch deine Wollust jetzt noch fest nach mir.
Schönheit, die sich über sich erhebt,
trügt sich selbst vom schönen eigen
Licht und gießt mir Säfte in den Reigen.
Genieße sinnig meine Gier,
die Liebe ist, wo ich sie hingestellt.
Genuss soll Seeligkeit in mir
sein - eh' die Schönheit wieder fällt.
So war ich drauf und dran und wenig schlau,
mich frisch und frei neu zu verlieben,
doch konnte nimmer dieser laminare Tau
die treue Neugier nach der Unschuld überwiegen.
Die Reinheit wird oft in den Riten
als höchstes Gut der Weibeslust gezählt,
doch wenn sie Mangel an Gelegenheiten bieten,
dann ist die Unerfahrenheit, was das Warum verrät
Als kalte Winde, Lügen um uns gingen,
als das Dach sich hob vom Sturm
und noch die Eiche brach,
als die Tränen erstarrten vom Frost
trotz deiner Glut,
warst du bei dir,
warst du zu mir.
Nun wusste ich, was Liebe ist.
Nachdem du fort warst, blieb das Kissen neben mir noch lange unbefugt;
und stiller wurden alle Zimmer,
gelangweilt ruf ein Hoffnungsschimmer
aus der Schranktür, hinter der dein langer Mantel spukt.
Verschlossen hör ich deine Worte reden, du schnürst dir abermals die
Schuh.
Ja deine Lippen, sie sind schön,
und wieder willst du geh'n.
In deinem Haar verirrt sich leise etwas, das flüstert dir die Fremde zu.
Die fremden Betten, die den Körper tragen, er sollt' doch meinen Körper
fühlen,
zerbrechen mögen sie und krachen.
Ich werde lautstark lachen,
und weinen werde ich, wenn deine Glieder ein wieder fremdes Bett zerwühlen.
Doch warum spür ich solche Lust, wenn Vollmond ist?
Nach der Vermischung
So der Kuss ins Stille geht,
kommen die Gedanken langsam wieder
und erneut beginnen die Augen zu fragen.
Grausam sind die Zweifel.
Was willst du von mir?
Und das gleiche gilt für mich.
Mich wissen - nein.
Mein Fühlen ergründen? - nein, aber erleben.
Meinen Körper erkennen? - nein, aber erfassen.
Mein Denken erfahren? - nein, aber mein Spiel.
Und das gleiche gilt für mich;
also spielen wir es.
Du, schöne Frau in meiner Augen Licht,
Begehren lässst den Körper mir aufwallen.
Der Weg liebt alles Schöne, doch die Schönheit liebt ihn nicht.
Die Rose ruft den Falter, um selbst sich zu gefallen.
Wie kann mein Herz sich je von dieser Liebessucht befrei'n;
so kehr ich noch zur Nacht bei einer Hure ein.
Sie nennt mir einen Preis, den weiß ich zu bezahlen -
das Leben spürt ja nur die Augenblicke,
und einzig Kurzweil kennt nicht Schmerz und Qualen;
ach, was sich in uns eingenistet, bindet uns in Stricke.
Aus deinem Munde "Du bist schön",
Also weißt du, ich werd' geh'n.
Aus deinem Munde "Ich bin schön",
Also weiß ich, du wirst geh'n.
Du liebe Subkuh, seit Tagen klingelt schon
durch irgendwen, es interessiert mich nicht,
wenn ein anderer als du am Ende spricht,
ich will nun endlich dich an mein Telefon.
Was soll ich lügen, bei jedem Schritt beginnt
das Herz zu hämmern mir, es ist sonderbar.
Wär' ich zwanzig Jahre jünger, wär' es klar,
warum aber heute die Geduld zerrinnt?
Wohl niemals werde ich erleben, dass du
mich anrufst. Ich warte schon über Gebühr,
Wann kommst du, so etwas Geringes, zu mir?
Schritte hör' ich deutlich, klopfst an meine Tür,
wofür den eigentlich, wer glaubt es denn? für
Unwichtiges wie mich, verdammte Subkuh.
ist es möglich, die Sehnsucht zu rauchen?
ist es möglich, den verbrannten Körper zu sonnen?
ist es möglich, den Wind in die Stube zu lassen?
ist es möglich, zartes Schmiegen grob zu umfassen?
Ganz benommen durch die Nacht
auf der Autobahn zurück gedacht,
festgehaltener Moment, an dich.
Das Motiv durchlebt: stundenlang
standen wir zwei inmitten
Menschen: geplaudert und gelacht.
Die Wahl der Farbe deiner Lippen,
spitze Nase, tadelloser Gang:
Ailine, welcher schöne Klang.
Jedoch zu edel bist du sicherlich.
Das Vergessen muss man bitten!
Noch ganz benommen fahre ich.
Auf ihrem Bett ein stilles Linnen,
auf ihrem Tisch ein frisches Brot.
Wir tranken Tee und Wein und waren
uns von Abendrot zu Abendrot.
Saß eine Taube auf dem Dach,
sah durch das Fenster zu uns hin,
erhellt von zwei, drei Kerzen
in ihrem kleinen Zimmer in Berlin.
Der Herbst ging und der Winter auch,
die Liebe war wie sie gekommen.
Was sich gesellt, ist nur ein Spiel,
bis dass man einen Berg erklommen.
Doch warum ließ ich sie allein?
Doch warum muss ich wieder zieh'n?
Zwei Fragen sind umsonst gestellt
in ihrem kleinen Zimmer in Berlin.
Nur dass die saft'ge Frische lockend ruft
- nicht mich in grauen Stiefeln neben dir.
Nur dass der Frühlings Blütenduft,
der dich bezaubert, macht der Reize Gier.
Nur dass du tanzt mit diesem blonden Affen
- was sitz ich hier auf meinem Holzgestühl.
Es wird der Wind nicht neu geschaffen;
er ruht bisweil', wenn er nicht tanzen will.
Ein junger Recke, der auf einem weißen Pferd
- der Rausch der Jugend ist und spielt
mit jedem, der sich ihm nicht sperrt,
ein Nektar, der in Blindheit zielt.
Der Abschied
Du, Frau, du -
Hab keine Eil für dein Erwachen.
November ist es draußen,
das Holz zu klamm, ein Feuer zu entfachen.
Der Nebel bildet Tropfen an den Zweigen,
die Vögel längst nach Süden übers Meer.
Nun weht der Wind auf unser Bett
das letzte Blatt vom Ahorn her.
Weich sieht dein Gesicht und ganz bei dir.
Solang du schläfst, werd ich nicht gehen;
werd diesen Frieden in dir nutzen,
dich bis zum Abschied anzusehen.
Die Wirklichkeit wird still und stiller
Im Traum fällt jede Sucht von Dir,
das Ich löst sich ins Sein,
die Schönheit aus dem Schlafe hin zu mir.
Ich will dich vögeln, dass du sagen sollst:
"Ich brauch nur dich", so hätt' ich's gerne.
Dich packen, wie der Schreiner ein Stück gutes Holz.
Was soll dir dann noch Frühling, was der Lenz,
denn keine Wirklichkeit nach mir und keine Ferne
und keinen Albtraum ohne mein Geschwänz.
Doch weiß ich leider, dass, wenn du jetzt schreist,
es dir egal ist, wer da auf dir liegt.
Ich lass es los und lieb dich wie es mir beliebt;
immerhin dass du gerade jetzt doch meinen Namen weißt.
Die Nacht ist lang und spät das Jahr,
du sagst, nimm deinen Hut dort mit,
den Schlüssel lasse hier, leb wohl und fahr.
Da soll ich geh'n und halt schon nach dem zehnten Schritt.
Dass ich im Schnee vor deinem Fenster bange:
ist dort ein Mann? Ich will es nicht ertragen.
Der Mantel kann mich vor der Kälte nicht mehr schützen lange,
und Fragen quälen, die an meinem Herz mir nagen.
Ein Jahr ging mir vorüber.
Und als das Jahr so ging,
da sagte sie ade mein Lieber,
die Zeit ist mir für einen Neubeginn.
Schon stand der nächste in der Tür,
Für dich mein Lieber ist nun Schluss.
Da nahm ich meinen Mantel, ja wofür -
So gib mir einen letzten Kuss.
Doch als ich ihren Hintern griff im Korridor,
da glühten meine Sinne wie zuvor.
Die Straße hat mich wieder,
leb wohl du schönes Kind,
der Galgenvogel zählt die Glieder,
ob alle noch beisammen sind.
Doch geb' ich zu, in stillen Stunden,
dass ihre satten Schenkel köstlich,
die so gegriffen in die runden,
vermissen werde ganz entsetzlich.
Und erst ihr Hintern, mir empor,
der entzückt mich nach wie vor.
Denn Mädchen, die du bei mir liegst,
in mir bleibt etwas, wenn du fliehst.
Hat erst dein Hintern meinen Schwor,
so dürstet er mich nach wie vor.
Als ich fort ging, blies der Wind
grad aus der Richtung, die er gerne nimmt.
Sich neigte jeder Halm ergebe,
damit sein Flüstern lauter schwebe.
Ich wollt ihn noch zum Abschied grüßen,
doch schien er schon was Kommendes zu wissen.
Als ich dann wieder kam aus einer Fremde,
zermürbt im Kopf und rau die Hände,
da lachte dieser Wind mir meinen Wandertrieb,
der in Bewegung, doch am selben Orte blieb.
Die Jahre malten Züge uns ins Angesicht,
der Weg war steinig für uns zwei,
einander schonten wir der Dornen nicht,
wurden schwer uns manchmal, so wie Blei.
O, wie ich dieses Blei an meinen Füßen liebe,
die bittren Tränen, ach, denn ohne diese:
wohin mich der erste Sturm vertriebe;
uferlos ins weite Meer, die Liebe mich verließe.
Wenn der Abend niedersteigt,
die Töne leiser schwingen,
dass mir mein Träumen zeigt:
Du bist es immer wieder,
zu dir doch meine Schritte gingen,
zu dir hin sang ich meine Lieder.
Mit dir grau noch werden;
die Jahre sollen uns zu uns hinbringen,
bis der Tod uns schafft zu erden.
Dein Haar, dein blondes, seh' ich so,
wie der Wind den Sommer sieht;
es raunt uns leis' aus gold'nem Stroh,
von deinen Lippen klingt ein Lied.
Die Sonne malt ein leichtes Rot
auf deine weiße Haut geschwind -
Komm in den Nachen, in mein Boot.
Komm, bis wir ganz nah uns sind.
Das erste Auseinanderlaufen
von jung Verliebten - uns mein' ich -
wir wollten grade uns zusammenraufen,
da schrieben wir den ersten Trennungsstrich.
Jeder Abschied von dir, weh,
dass fast ich dran zerbrech',
denn dieses Wort 'Adieu'
ist blut'ge Teufelszech,
ist Schwefel und ist Pech.
Das zweite, ach, das dritte Mal,
wie eine Flut ins flache Land,
kein "Du verzeih!", nur eine Qual
hat Narben uns gebrannt.
Jeder Abschied von dir, weh,
...
Immer wieder sprach der eine Teil
"Geh!" und ging der andre auch.
Immer wieder war's für eine Weil;
dann doch zurück, was blieb, war Rauch.
Jeder Abschied von dir, weh,
...
Die ersten grauen Haare schon
sind uns gebleicht in all der Zeit
des Liebens und Verlassens, doch zum Lohn
auch alle Wiederkehr in unsre Zweisamkeit.
Die Uhr am Bahnsteig mahnt ergrollt:
Türen schließen, dass der Wagen rollt;
die Lok gehorcht streng ihrer Pflichtung,
auch wenn der Motor schon ergraut -
doch plötzlich, mein Herz schreit laut:
"Der Zug fährt in die falsche Richtung."
Am Schalter reichte man mir einen Fahrtenschein,
das Ziel stimmt mit der Route überein;
ich sagte wohl dort eine wichtige Gewichtung,
doch will ich eigentlich zu dir -
entgegen dieser Linie hier;
der Zug fährt in die falsche Richtung.
Was soll ich tun - hinüber springen,
den Zug im andren Gleis erklimmen;
die Notbremse kommt mir in Sichtung;
ich nehm' den Lokführer als Geisel;
zu dir, zu dir, tönt mein Gesäusel;
der Zug fährt in die falsche Richtung.
Liebste mein Sterbezelt
heut Nacht vor Deiner Tür.
Nimm dies als letzten Gruß
von mir.
Wenn der Mond am Morgen unterging
des Tod unserer Liebe Beginn.
Schon wieder hab ich mich
verliebt in dich.
Vom ersten Mal, als es geschah,
trag ich den Ring zum Angedenk
an meinem Finger, mémoire
an unser Singen: dein Geschenk.
Wer kann schon mit der Lüge leben?
wer möchte nicht durch Rufen sich befrei'n?
"Ich habe jenes sündig Streben ..."
gebeichtet, glaubt man schnell sich rein.
Doch sage mir was Wahrheit ist,
mit welchem Recht kann ich dich fragen?
Und könnte meiner Schmerzen Lust
das, was du sagst, ertragen?
Wenn ich sage: Du,
noch lange nicht das Ende
Sieh her: dein Blick;
leuchtet zwischen uns
Grenzenloses:
Sie bleibt uns noch:
die Zeit für uns
Mit Heulen, kraftvoll peitscht der Wind
die Blätter nieder; Schauer, Regenfänger;
In die Behausung kraucht ein jedes Kind
zum Ofen hin; wir rücken etwas enger.
Jahr ein, Jahr aus ein Gleiches mit der Enge,
wenn herbstens sich die schweren Wolken finden.
Als ob ein leises Singen hier erklänge,
das Feuer heime Wünsche aus den Gründen.
Doch mehr noch als die Glut im Herde
glüht ein Lächeln da von deinem Mund,
dass auch unser Wollen wärmer werde -
Ja wär' dein helles Wesen nicht,
ich säß' im Dunkel hier zur Abendstund;
doch deine Augen geben Licht.
Eine Träne bang
aus deinem Aug' hervor;
floss abwärts deine Wang,
doch himmelwärts empor.
Dass dich die Träne schmückt,
wie Blütenstaub die Ros,
so still, so zart, entzückt
fiel sie in deinen Schoß.
Auf Knien dir zu fleh'n:
Es ist so warm der Augenblick,
und ach, so schön
bist du, dass ich zerfließe,
wie dieser Träne kurzes Glück
auf deiner Haut ergieße.
Geträumte Süße, sich verschwenden
dir, erklingt mein Ruf,
lege leise ihn zu Händen
meiner Hoffnung; wer aber schuf
die Mauer des Verstandes, hoch;
Kopflos mein Suchen, abzulesen
deinen Hauch; schrill jedoch
kämpft etwas gegen unser zartes Wesen.
Als könnt' nicht jedes Lieben
leben ohne jedes Nein,
nur einfach Ja ihr sagen.
Wäre die Vernunft vertrieben,
könnt' alle Angst verjagen,
wär einfach dein.
Kann ich dich im Getümmel finden,
im Wirr, wie Ameisen - umher
in allen Gassen schweifen.
Ach stündest du doch wie ein Linden,
die Äste in den Himmel greifen,
prachtvoll im Garten, als im Meer.
So suchen in den müden, steifen
Engen meine Blicke, hoffen schwer,
sich tastend in den tiefsten Gründen.
Geliebte Fee, die zu mir in mancher Nacht
und schon allein, so doch in Traumes Fülle
ein manches Pochen in so mancher Stille
ein schweres Wähnen in meinem Leib entfacht.
Dass du nächtens kommst, von wem geschickt?, zu mir,
wartet gleich Satan schon auf seine Beute,
nach allem Warmen greift, wenn es auch reute,
meinem Sinn und Leib so gierig wie ein Tier.
Lass ab, lass ab, doch du hörst nicht mein Fluchen.
Ohn' Schlaf von Tag zu Tag die Ruhe suchen.
Wand an Wand
und hinter jener Tür zur Nacht schläft sie.
Wann darfst du sagen:
"Ihr gehört mein Lied."
"Ihr gehöre ich."
Vergleichlos jede Wahl;
bestimmt doch immer nur das Jetzt die Reaktion.
Wo Wollust ist, ist Zufall auch,
und ungerecht.
Wohin mit meiner Liebe,
wohin, wenn Frost und Schnee
der Ostwind aus dem ew'gen Eis
ins Land weht und verschließt den See
und bedeckt den Wald in weiß,
die Kälte sich um jedes Leben schließt;
wer hört dann meiner Klagen Schall:
ob mir meine Wärme bliebe,
des Blutes Rot in mir noch fließt
im Flockentanz, im Eiskristall.
Das Schönste,
denke ich zurück,
vor dem Notenständer stehend,
die Flöte aus Silber,
deine Lippen,
ein Bass aus Ahorn,
den Bogen in meiner Hand,
die Blicke aufs Papier
uns zulauschend:
Wir spielten Bach:
Unsere besten Stunden.
Wäre ich ein Bauer, in den hohen Roggen würde ich dich drücken in den ärgsten
Augusttagen. Wäre ich ein Holzfäller, in den Annemonen, wenn sie blühen, würde
ich dich überraschen und mich auf dem grünen Teppich mit dir wälzen, so wie die
Sonnenstrahlen durch die Kronen, so in dich dringen. Wäre ich wandernder Geselle,
ich würde dich zerren in den Straßengraben, das Gras mit dir zerquetschen, dass
du quiekst und schreit. Wäre ich unheilbarer Spieler, auf den Rouletttisch würde
ich dich legen, zerreißen deine Kleider, rammeln bis der Tisch zusammenbricht.
Du bist die Dirne, sieh da - ich bin es, der Bauer, der Waldarbeiter, der Gesell
und auch Spieler, du wirst nicht aufhören, zu hecheln und zu stöhnen, liegen mit
offenem Mund, wirst nicht wollen, aufzuhören. Deine Geilheit, mein Begehren, wildes
Schaffen, sich einander blind verzehren, wie du leckst an deinen Mund, sagst du:
einverstanden, mich zu locken.
Warum sollte jemals ich nein sagen? Bin ich ein Narr? Warum sollte ich verächten
die Kost?
Auf dem Bahnhof verweilen
Stehend im Bistro
Cafe auf Cafe auf Cafe
Eine Stunde verging.
Es wird nicht schneller
Nur weil man ständig
Auf die Uhr sieht
Warten auf die Erwartete
Musste noch zum Friseur.
Nervös verstreichen Stunden.
für HJ.
Jetzt, wo Du fort bist, rückt Dein Bild mir
öfter in den Tagtraum.
Die Wege führten mich weit von Dir,
und einsam, so wie Deine waren.
Nicht wusste ich, wie eng das Band zum Vater
noch über die gelebte Zeit hinaus.
Das glaub ich wohl, dass Deine Mutter abstammt
Von den golden Horden, von den Frauen die
Ihre eignen Krieger unters Joch gespannt,
die wiederum die Stärksten unterjochten.
Stille Herrschaft aus der Nächten Gemächern.
In die Ferne tragen es die Besiegten:
Fern sind sie Krieger über fremde Völker.
Natürlich: Vom Morgen her kommend wirst Du
schöner noch um dieses kleine Geheimnis.
Die daheim Geblieb’nen staunen Deiner.
Ach, Entfernung, Du, kenn ich Deine Tücke!
Bin lieber zaghaft in der Werbung, denn ach:
Käm’ es ans Ziel, so weiß ich aus Erfahrung,
dass Märchen Dir funkeln von Goldnen Horden,
mich zum Vollzieher nächtlicher Gelüste
machen, zum Ergötzen am fremden Schmachten.
Hüt ich mich – stürz mich hinauf – wird’s wohl kommen
wie es kommen soll - wie immer im Leben.
Mit schlimmen Tränen lieben sie ihr Leben,
Freund und Geliebte, Bruder. Sei’s vergeben!
Vereint nur sind wir für kurze Zwischenzeit.
Umarmen, küssen uns. Wir lieben, hassen,
Zu dritt, zu zweit und eigentlich verlassen.
Gefährte heißt man mich und Wegbegleiter,
Trugbilder auf dem steten Wege weiter;
Einzige Freundin ist mir die Einsamkeit.
Der Schwester muss ein Sohn die Mutter teilen.
Geliebt doch einsam muss er ihr enteilen.
Die Braut verliert er an den fremden Schönen.
Wenn anders: an den Spieler, überheblich,
so bleibt das Leben vor der Flucht vergeblich.
Selbst meine Tochter wird mir bald entrinnen.
Zurückgelassen kann mir nichts beginnen,
die Einsamkeit will sich mir selbst versöhnen.
Nur Lichterscheinung alle festen Bunde.
Erschöpfung ist stets zu verschiedner Stunde;
Kraft und Ermattung – du männlicher Beleg -
zur Anstrengung hinauf, den Berg zu zwingen.
Ohne den Blick zurück entfernt sich schweigend,
der Rast nicht achtend, auf die Kreuzung zeigend.
Nebel verschleiern, die sich fremd bedingen:
Einsamkeit, geduldig säumst du meinen Weg.
Schönheit in das Zusammenspiel zu pressen,
gleichviel suchten, kamen, flohen, gingen fort.
Das Alleinsein trennt sich nie vom Gegenstück -
zwischen Menschen fühlt sie sich ermessen:
Mächtig schallt zu aller Zeit ihr Abschiedwort.
Also schwingt zu meinem einzig wahren Klang
keine Begleitung, kein Takt, kein Gegensang,
nur die Einsamkeit bleibt mein verlassnes Glück.
An die Tochter
Gern nehm’ ich alle, doch selbst vier Jahre nur,
bis Deine Arme kraftvoll wie Dein Wille,
und alles zwischen uns Berührung werde,
und Du zum Streit bereit - zu mir in Eile,
und ich noch nicht verwelkt, vertrieben, verrückt.
Vielleicht noch nicht in weiter Ferne weile,
dass wir verschmelzen. In zukünftige Spur
zu siegen, was Vergangenheit erfülle.
Doch plötzlich bricht Erkenntnis in die Herde,
was der Zank um Zärtlichkeit hat unterdrückt:
Zwei Betrogene - teilen beide Hiebe!
Ach, Tochter, wie es Deine Zeit gefährde;
auf diese Jahre gebe ich Dir den Schwur,
gleich was von Lebensträumen übrig bliebe,
eines vertrau' ich Dir – geheime Stille:
Nach vier ist nicht zu brechen unsre Liebe.
möchte ich Maurer sein,
nicht Wetter hindert,
Kalkül nicht
schlechter Ruf.
Das Zeug ist klar bestimmt:
Kelle, Kalk und Stein.
Nicht suchen muss er nach Begründung und Maß.
An der Jacke schon erkennt man den Beruf;
gebraucht und bezahlt, bevor man ihn vergaß.
Von jeglichem Gewerk schein der Maurer nur der Arbeit wirklich froh zu sein,
Wandungen entstehen Schicht auf Schicht,
so schwer und standhaft.
Nicht wie der Denker, der niemals Werke schafft.
Verhaucht ist
- gleich Musik, die schnell verklungen -
alles Erdachte, auf verlorener Spur.
Das Haus ist fertig in letzter Abendstund.
Über die Schwelle trägt einer eine Braut.
Heraus stolpern sehr bald Kinder in die Welt.
Doch der Maurer zieht auf unbebauten Grund,
wieder neues Obdach für Fremde er baut.
Gleich mir, weil fertige Hausung mich nicht hält.
Sonntag früh
Sicherlich bin ich nach Haus gekommen,
auf jedem Parkplatz eine Mütze Schlaf genommen.
Den Rest der Nacht
hab ich an dich gedacht.
