| Mann: |
Die Dunkelheit
sagt mir, dass ich müde bin. Der Traum nötigt meinen Schlaf, dem
Wachen will ich Abschied sagen, die Glieder von mir strecken, dass alles
Tun sein Ende findet. |
| Stimme: |
He, he,
nicht schon das Ende rufen, wo kein Anfang nicht war. |
| Mann: |
Ach, träum'
ich erst, so darf die Zeit auch rückwärts laufen; so wird sich
das, was ich vergaß, noch fügen. Der Anfang mag dann kommen. |
| Stimme: |
Ohne Anfang
ist aber keine Zeit, gleich ob sie vor oder zurück sich drehen will. |
| Mann: |
Gut, so
will ich vor dem Schlafen noch beginnen. ? Wie ? sag an ? soll man den Anfang
finden, wenn er im Dunkel schläft. Die Schöpfung muss das Licht
erst schöpfen, welches sie erhellen könnte. Jetzt ist es dunkel. |
| |
<es klingelt>
|
| Stimme: |
<erschrocken>
Mein Gott, der Anfang her, der Anfang hin; wir sind längst schon mittendrin.
<verschwindet> |
| Polizist: |
<tritt
ein>
Was war das für ein Poltern? Der brave Bürger fordert seine Ruhe. |
| Mann: |
Welches
Poltern? |
| Polizist: |
Ich schlief
im trauten Frieden, da hörte ich ein schreckliches Getöse, woraufhin
mich die Pflicht rief. Sie rief: Erwache. Ich erwachte und lief hierher.
Was geht hier vor? |
| Mann: |
Sie haben
geträumt. |
| Polizist: |
Was ich
gehört habe, habe ich gehört. Der Schlaf ist kein Alibi. |
| Mann: |
Ich bin
nicht mehr der Jüngste. |
| Polizist: |
Ich bin
noch nicht zu alt. |
| Mann: |
Was
wollen Sie noch? |
| Polizist: |
Ich
will, <drohend> dass mich die Pflicht nicht noch einmal rufen muss.
Jedoch, <zögernd> wenn sie eines Tages mich nicht mehr ruft,
dann wär' ich wohl zu alt? |
| Mann: |
Also
soll Sie die Pflicht doch rufen? |
| Polizist: |
Papperlapapp.
<ab> |
| Mann: |
Nicht
genug, dass ich Nacht für Nacht einsam und alleine friste, man gönnt
mir keine Ruhe. Ich will die Ruhe jetzt festhalten. |
| Stimme: |
Wenn
aber jetzt ein Poltern kommt, was macht die Ruhe dann? Geht die Ruhe, wenn
das Poltern schon da ist, oder kommt das Poltern erst, wenn die Ruhe schon
weggegangen? |
| Mann: |
Ich
rette mich besser in einen Traum. Die Dunkelheit sagt mir, dass ich müde
bin. |
| Prinzessin: |
Er wird
auf einem weißen Ross reiten. Der Vollmond wird leuchten... |
| Drächin: |
<überlegt>
Heute ist Vollmond. <energisch>
Er kann niemals kommen. Der Fels ist zu hoch, längs des Weges lauert
überall der Tod, die Tore sind verschlossen. Er kann nicht her. |
| Prinzessin: |
Er wird
mich rufen: "Prinzessin, wo seid ihr?" "Hier, kommt!"
Alle Gefahren wird er meistern, den Tod besiegen, Berge öffnen, Löwen
und Tiger verjagen. |
| Drächin: |
Er soll
mir nur kommen, ich werde ihn vernaschen. |
| Prinzessin: |
Mein Ritter,
mein Prinz. |
| Drächin: |
Knackig. |
| Prinzessin: |
Er wird
mich befreien und mich dann freien. |
| Drächin: |
Jungfrau
hin, Jungfrau her, vernaschen werde ich ihn. |
| Prinzessin: |
Seine
Liebe zu mir wird ihn führen, er wird siegen. |
| Drächin: |
Ja, er
wird kommen, um zu siegen. Ich werde ihn so vernaschen, dass er denkt, er
sei Sieger, das heißt dann Kunst der Liebe, nichts anderes. |
| Prinzessin: |
Untier. |
| |
<längeres
Schweigen> |
| Drächin: |
Warum
bist du eigentlich Jungfrau? |
| Prinzessin: |
Weil
ich auf meinen Prinzen warte. |
| Drächin:
|
Weil
du auf den Prinzen wartest? Hilfe, ich warte, glaube ich, auch. Und sogar
genau so lange wie du, aber Jungfrau? |
| Prinzessin: |
Aber
warten ist langweilig. |
| Drächin: |
Nichts
passiert. Nichts. |
| |
<Das
Bett aus dem Zimmer wird sichtbar. Der schlafende Mann erwacht.> |
| Drächin: |
Was
suchst du hier? |
| Mann: |
Ich
suche den Grund warum ich hier bin. |
| Prinzessin: |
Ich
träume. |
| Mann: |
Ich
glaube ich. Oder besser: ich träume, dass du träumst. |
| Prinzessin: |
Ich
hoffe, du bist kein Prinz. |
| Mann: |
Was
suche ich eigentlich in einer Drachenhöhle? Es wird besser sein, ich
wache auf. Andererseits kann man im Traum nicht an Erwachen denken, sonst
wäre es kein Traum. Folglich träume ich nicht und kann auch nicht
erwachen. |
| Drächin: |
Du
dürftest eigentlich nicht hergekommen sein, folglich dürftest
du auch nicht hier sein; was aber bist du, der du nicht hier bist: ein Traum? |
| Prinzessin: |
Ich
will, dass ein Ritter kommt, der jung ist und schön und ... |
| Drächin: |
<zur
Prinzessin> Hier
kann niemand herkommen, außer dass ich ihn hierher bringe. <zum
Mann>
Du aber bist hier, ohne dass du kamst, wie geht das an? |
| Mann: |
Wenn
sich der Raum von Orten krümmen wollte, so könnte man mich zeitgleich
in meinem Zimmer und in dieser Höhle finden. |
| Drächin: |
Die
Krümmung des Raumes ist ein Sinnesschwindel, da, aber nicht wahr. Sieh
dich an, du glaubst dich aufrecht stehen, doch stehst du da vor mir gebückt. |
| Mann: |
Ich
wußt' mich wohl in meinem Bett und sah mich doch in dieser Unterwelt
im selben Augenblicke noch. |
| Drächin: |
Ein
Narr, der Raum bleibt Untertan des, der ihn ertastet. Die Zeit sie ist das
Ungeheuer, der stärkste Arm vermag sie nicht zu fassen. |
| Mann: |
Doch
hier ist irgendwie ein Paradox; da muß die Zeit gesprungen sein. Sprang
sie nach vorn, so fehlte ein Stück Gegenwart; sprang sie zurück,
so wird ein Stück vom Jetzt gleich zwiefach ausgeführt. Jedenfalls
bin ich hier. |
| Prinzessin: |
Dann
hat dir ein Zauberer geholfen, oder eine Fee. |
| Drächin: |
Eine
Fee? Mit dem da? Was war denn das für eine Fee, mit dem da. |
| Mann: |
<hebt
ein Schwert auf>
Ein Schwert. |
| Drächin: |
Ein
Schwert? Bist du etwa wirklich ein Recke? |
| Mann: |
Ich
habe ein Schwert. <probiert mit dem Schwert> |
| Drächin: |
Was
ist eigentlich schlimmer: Von solch einem besiegt zu werden, oder solch
einen zu besiegen? |
| Prinzessin: |
<zur
Drächin>
He, du wolltest ihn doch vernaschen. |
| Drächin: |
<zur
Prinzessin>
Du hast mir versprochen, es kommt ein junger, schöner Recke. |
| Prinzessin: |
Schließlich
ist er der einzige Mann seit ewig. |
| Drächin: |
Was
soll ich mit so einem machen? |
| Prinzessin: |
Wäre
er kein Prinz, wäre er auch nicht gekommen. |
| Mann: |
<immer
noch in sein Schwert versunken>
Wäre es ein Zauberschwert, würde es von selbst kämpfen. |
| Drächin: |
Ein
Zauberschwert? |
| Mann: |
Es
ist bestimmt ein Zauberschwert. <schlägt
mit dem Schwert in die Luft> |
| Drächin: |
Nein,
und so etwas mir in meiner Höhle. |
| Mann: |
Was
macht man mit einem Zauberschwert? Ich könnte zum Beispiel eine Prinzessin
aus einer Drachenhöhle befreien. |
| Prinzessin: |
Das
hast du doch schon getan. Nun mach schon und nimm mich mit! Du hast doch
hoffentlich ein Schloss? |
| Drächin: |
Einfach
abhauen? Ohne Kampf verlässt kein Recke diese Höhle, so wie keiner
hier ohne Kampf hinein kommt. <zu
sich>
Ach verflucht, irgend etwas stimmt hier nicht; weder dass er kämpfte,
nichtmal dass er kam. <verzweifelt> |
| Prinzessin: |
Du
bist weder jung, noch stark, noch schön, aber du hast mich befreit,
also hol' mich hier endlich raus. |
| Mann: |
Das
ist mein Zauberschwert. |
| Drächin: |
Soll mein Zorn
an dieser finst'ren Stell
wallen wie des Feuers heiße Brunst
mag der Donner sprengen Felsen und Geröll
hinab verwüsten alle Orte meiner Gunst.
<verschwindet
unter großem Lärm>
<es klingelt><Polizist tritt auf>
|
| Polizist: |
Träum
ich oder wach ich? Hier war doch g'rad ein lautes Poltern. |
| Mann: |
Noch
einmal dieses Paradox. Er ist jetzt hier, ohne dass er kam. Jedoch erschaffen
konnte er nicht werden, denn ich sah ihn früher schon. Hier ist ein
Loch im Fluss der Welt. |
| Polizist: |
<zur
Prinzessin>
Wer bist du? Hast du eine Aufenthaltsgenehmigung? |
| Prinzessin: |
Ich
wurde gerade befreit, und jetzt werde ich gefreit. Ist das nun freudig oder
traurig? |
| Mann: |
Das
Zauberschwert ist die Ursache. |
| Polizist: |
Eine
Waffe? Haben sie einen Waffenschein? Die Waffe ist beschlagnahmt. <greift
nach dem Schwert> Ich vertrete hier die Macht. |
| Prinzessin: |
<zum
Mann>
Was will der hier? |
| Mann: |
Die
Macht vertreten? Was willst du? |
| Polizist: |
Ich?
Ja, was will ich eigentlich? Ich will ... <überlegt> Eigentlich
möchte ich ein Held sein; eine Prinzessin von einem feuerspeienden
Drachen befreien. |
| Prinzessin: |
Mein
Herr, du bist zu spät. Im übrigen siehst du ebenfalls nicht aus
wie mein Traumprinz, aber damit muss man scheinbar leben ? <trauert>
Schicksal mein. |
| Polizist: |
<fuchtelt
mit dem Schwert> Hoch zu Ross würde ich kommen, den Drachen besiegen
und die jungfräuliche Prinzessin befreien. |
| Prinzessin: |
Mein
Herr, du bist zu spät. Dieser da kam zwar nicht, aber er war zuerst
da. |
| Polizist: |
<blickt
sich um>
Dass ich mich in einer Drachenhöhle finde, obschon ich im Rayon sein
müsste, wo ich Wachtmann bin. |
| Mann: |
Der
Raum treibt seine Spiele. |
| Polizist: |
Der
Raum ist mein Rayon, so steht's in meinem Dienstplan drin. Jedoch die Zeit,
sie ist das Ungeheuer. Die Zeit, sie beugt sich weder Schwert noch sonst
einer Gewalt; kein Mittel ist, sie zu bedrängen, sich auch nur vor
ihr zu schützen, nichts. Die Zeit wird drum gefürchtet von jeder
Art von Macht. |
| Mann: |
Die
Zeit, sie ist sein Grusel, keine Revolution fürchtet er mehr, als nur
das, was immer ist, die Zeit. |
| Polizist:
|
Nimm
das Schwert zurück, es taugt als Waffe gar zu wenig. <lässt
das Schwert fallen, ab> |
| Prinzessin: |
Was ist das für
ein Kauz, wo will er hin? <zum
Mann>
He, sag doch, woher kennst du den? <in
die gleiche Richtung wie der Polizist ab>
<Drächin
kommt aus einer anderen Richtung, Mann sieht entgeistert allem zu>
|
| Drächin: |
Ich
habe einen Entschluss gefasst, einen Entschluss, der endgültig eine
Lösung dieser Wirren stiftet. Hört! <sieht
sich um, verwundert, zum Mann>
Wo ist der Rest? Was soll denn das nun wieder heißen. Mein Entschluss
betrifft auch noch den Rest, der eben doch noch hier. Du bist allein, was
soll mir das? Ein Teilentschluss ist so gut wie kein Entschluss, drum auch
nichts wert. Ersann umsonst ein Ende mir, mein schönes Ende war so
gut durchdacht, umsonst. Kein Ende, mein Entschluss, und wo kein Ende ist,
da muss es weiter gehen. <zum
Mann>
Geh! Geh, ich brauche Ruh. |
| Mann: |
Mir
ist es so, als sei ich hier und noch woanders. Doch bin ich immer, das ist
mir wohl klar, doch in mir selbst nur drin; und niemals anderenorts, als
stets in dem Kadaver hier. Was außen vorgeht, scheint mir zweifelhaft;
abwesend mir auch ohne Droge, gleich ob vom Wein, vom Opium oder, was viel
schlimmer noch entgeistert für die Außenwelt, von der Blinde
des verliebten Seins. <verschwindet
im Schwarz>
<Prinzessin
tritt auf, blickt sich um> |
| Prinzessin: |
Wo
ist mein Freier? Wo ist mein Prinz? Ich bin zwar befreit, doch immer noch
Jungfrau. <rennt
hin und her>
<Polizist tritt auf> |
| Polizist: |
Wo
nicht Recht und Ordnung waltet, da strebt Struktur sich aufzulösen;
drum will ich hier ein Rechtes wieder herrichten. |
| Drächin: |
Ich
bin hier in dieser Höhle die Gewalt. |
| Polizist: |
Gewalt
hat nicht der, der es behauptet, sondern der geschickt genug ist, jemanden
zu finden, der ihm die Gewalt fürchtet. |
| Prinzessin: |
<rennt
immer noch suchend hin und her>
Mit Gewalt trennte man mich von meinem Prinzen. <ab> |
| Drächin: |
Wer
wäre gefürchteter als ich? <stellt
sich in Pose> |
| Polizist: |
Wer
Macht ausübt, braucht zuerst ein Gesetz. <sucht>
Ein Gesetz. |
| Drächin: |
Was
ich bestimme, soll geschehen! <Polizist
suchend ab>
Keiner da? Ein leerer Ort? Was soll ein Ort sein, wo nichts ist. Keiner
wüsste ob dieser Ort überhaupt da sei.
<Mann
erscheint aus dem Schwarz> |
| Drächin: |
<zum
Mann> Wo warst du? |
| Mann: |
Ich
war im Heute. Doch jetzt bin ich's scheinbar auch, doch ganz in einer and'ren
Art der Zeit. |
| Drächin: |
Warst
du schon tot? |
| Mann: |
Ob
ich's wohl jetzt bin. |
| Drächin: |
Ein
Toter? <ab>
<Prinzessin tritt auf> |
| Prinzessin: |
Da
bist du ja endlich. Nimm mich endlich mit! <lässt
sich fallen>
<Mann verschwindet im Schwarz, Polizist tritt auf> |
| Polizist: |
Sie
liegt danieder. Ist sie tot? <beugt
sich über sie> |
| Prinzessin: |
<schlägt
die Augen auf, schreit>
Ein Fremder; eine Verwandlung; ein Mord; Hilfe. <ab>
<Drächin tritt auf> |
| Polizist: |
<zu
sich> Sie
lebt. |
| Drächin: |
Du
lebst, das ist viel.
<Polizist
rennt davon; Mann erscheint aus dem Schwarz>
|
| Mann: |
Ich
werde einen Schluss setzen. <nimmt das Schwert> |
| Drächin: |
Weh
mir, mir wird die eig'ne Höhle finster.
<Mann
zeigt mit dem Schwert zur Drächin, diese fällt um, Polizist erscheint,
entreißt dem Mann das Schwert> |
| Polizist: |
Wenn
hier auch kein Gesetz gilt, so gilt doch eine Interessenvertretung eines
Gesetzes. Was haben sie getan an dieser Dame? |
| Mann: |
Eine
Dame?
<Polizist
zeigt mit dem Schwert auf den Mann, dieser fällt um, Prinzessin erscheint>
|
| Prinzessin: |
Du
hast meinen Prinzen von mir getrennt. Das musst Du büßen! |
| Polizist: |
Ich?
<Prinzessin
zeigt mit dem Finger auf den Polizisten, dieser fällt um> |
| Prinzessin: |
Was tat ich? Allein,
so muss auch ich scheiden. <fällt
um>
Schmerz mir. <stirbt>
<Vorhang>
|